Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Gebärdensprachleistungen im Rahmen stationärer Behandlung als allgemeine Krankenhausleistung. Kosten über DRG-Vergütungssystem bereits abgedeckt. Vergütungsanspruch eines Gebärdensprachdolmetschers gegen Krankenhausträger für am Folgetag erneute erbrachte Übersetzungsleistungen im Auftrag des Krankenhauses aufgrund Dienstvertrag iSv § 611 Abs 1 BGB
Orientierungssatz
1. Eine Notwendigkeit des Einsatzes von Gebärdensprachdolmetschern im Rahmen der stationären Behandlung folgt ua aus dem Qualitätsgebot (§ 70 Abs 1 S 2 SGB 5) sowie aus § 2a SGB 5, wonach den Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen Rechnung zu tragen ist (vgl SG Hamburg vom 24.3.2017 - S 48 KR 1082/14 ZVW = juris RdNr 24).
2. Kosten eines Gebärdensprachdolmetschers, der für ein Krankenhaus Übersetzungsleistungen zwischen dem Krankenhaus und einem Patienten erbringt, sind vom Krankenhausträger und nicht von der gesetzlichen Krankenkasse zu tragen, da diese Kosten bereits im pauschalierten Vergütungssystem zwischen Kassen und Krankenhaus enthalten sind.
3. Hat ein Krankenhausmitarbeiter einen Gebärdensprachdolmetscher nach einem Einsatz im Krankenhaus beauftragt, am Folgetag erneut Übersetzungsleistungen zu erbringen, so begründet dies einen Dienstvertrag mit dem Krankenhaus mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch, jedenfalls soweit der Dolmetscher den Mitarbeiter für vertretungsbefugt halten durfte. Darauf, ob der Mitarbeiter im Innenverhältnis zum Krankenhausträger berechtigt war, die Leistung zu beauftragen, kommt es insoweit nicht an.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 227,17 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung für Dolmetscherleistungen. Die Klägerin ist Diplom-Gebärdendolmetscherin. Sie verdolmetschte am 29.10.2015 ärztliche Gespräche zwischen Ärzten der Beklagten und deren Patienten Herrn …, der zugleich Versicherter der Beigeladenen ist.
Die Klägerin verdolmetschte zunächst am 28.10.2015 im Rahmen einer Notfallbehandlung in der Notaufnahme der Klägerin Gespräche zwischen dem Versicherten der Beigeladenen und den Ärzten der Klägerin. Hierzu begleitete sie den Patienten bereits in die Notaufnahme, nachdem sie zuvor schon ein Gespräch zwischen dem Versicherten und seiner Hausärztin verdolmetschte. Die Rechnung für diese Leistung beglich die Beigeladene.
Die diensthabende Stationsschwester bat anschließend die Klägerin, auch am Folgetag zu erscheinen und zu dolmetschen. Dem kam die Klägerin nach.
Die Beklagte bestätigte die geleistete Dolmetschertätigkeit. Die Rechnung der Klägerin vom 30.10.2015 (Anlage K 1) beglich sie jedoch nicht. Stattdessen übersendete die Beklagte der Klägerin ein vorgedrucktes Schreiben, worin diese die Klägerin an die Krankenkasse des Versicherten verwies.
Daraufhin wendete sich die Klägerin an die Beigeladene, die die Rechnung ebenfalls nicht beglich.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe durch die diensthabende Stationsschwester die Dienstleistung der Klägerin veranlasst und sei daher zur Zahlung der Dolmetschervergütung verpflichtet. Darüber hinaus komme es auch in Betracht, dass die Beauftragung der Klägerin der Beklagten zuzurechnen sei, da damit der Sach- und Dienstleistungsanspruch des Versicherten erfüllt werden solle. Sollte hingegen die Dolmetscherleistung bereits mit der Fallpauschale der Krankenhausvergütung abgegolten sein, so wäre wiederum die Beigeladene ihrer Verpflichtung zur Gewährung eines Dolmetschers ggü. dem hörbehinderten Versicherten nachgekommen und die Klägerin die Schuldnerin des Vergütungsanspruchs der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 227,17 EUR zzgl. Zinsen i. H. v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2015 zu zahlen.
2. hilfsweise festzustellen, dass die Beigeladene die Schuldnerin des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Beigeladene sei Schuldnerin des Anspruchs der Klägerin. Dies ergäbe sich zum einen daraus, dass die diensthabende Stationsschwester nicht befugt sei, derartige Leistungen eines Dritten zu beauftragen, zum anderen aber auch daraus, dass die Beigeladene als gesetzliche Krankenkasse gem. § 17 Abs. 2 S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verpflichtet sei, die Kosten der Dolmetscherleistung zu übernehmen. Wäre diese Leistung bereits mit der Fallpauschale vergütet, so wäre § 17 Abs. 2 S. 2 SGB I obsolet.
Mit Beschluss vom 1.09.2016 hat das Sozialgericht durch die vormals zuständige Kammer 2 die Krankenkasse des Patienten gem. § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen, da auch sie als Leistungspflichtige in Betracht kommt.
Die Beigeladene beantragt,
die Beklagte zu verurteilen.
Sie ist der Auffassung, dass die ...