Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldes. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Altersteilzeitvertrag. Verschulden. wichtiger Grund. maßgeblicher Zeitpunkt. nahtloser Übergang in die Altersrente. nachträgliche Änderung der Rechtslage
Leitsatz (amtlich)
Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, so kann er sich auf einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe berufen, wenn er im Anschluss an die Altersteilzeit nahtlos in den Ruhestand wechseln will und dies prognostisch möglich erscheint, insbesondere nach der rentenrechtlichen Lage. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer später entsprechend seiner ursprünglichen Absicht tatsächlich Altersrente beantragt oder ob er seine Pläne für den Ruhestand ändert, zB wegen einer neuen Rechtslage.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 6/08 R = BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 1.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Die Klägerin wurde am ... Juli 1952 geboren. Seit dem 1.8.1984 war sie bei der F. GmbH beschäftigt. Am 15.11.2002 schloss die Klägerin mit der Arbeitgeberin einen Vertrag für Altersteilzeit. Darin vereinbarten die Parteien Altersteilzeitarbeit im Blockmodell mit einer “Arbeitsphase„ vom 1.8.2007 - 31.1.2011 und einer “Freizeitphase„ vom 1.2.2011 - 31.7.2014. Am 31.7.2014 sollte das Arbeitsverhältnis enden.
Am 4.7.2014 stellte die Klägerin bei der DRV Baden-Württemberg einen Antrag auf Altersrente.
Diesen Antrag nahm die Klägerin mit Schreiben vom 11.7.2014 wieder zurück. Zur Begründung gab sie an, nach reiflicher Überlegung habe sie sich dafür entschieden, doch erst ab August 2015 in Rente zu gehen.
Stattdessen meldete sich die Klägerin am 7.8.2014 bei der Beklagten arbeitslos. Auf Nachfrage der Beklagten, aus welchen Gründen sie das Beschäftigungsverhältnis beendet habe, gab sie an, sie habe seinerzeit, im Jahr 2002, die Auskunft erhalten, Altersrente für Frauen gebe es - wenn überhaupt - “nur bis Jahrgang 1951„. Sie hätte also bis zum 65. Lebensjahr arbeiten müssen. Ihr Ehemann sei sechs Jahre älter; er wäre dann über 70 Jahre alt gewesen.
Am 1.9.2015 nahm die Klägerin eine neue Beschäftigung auf. Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum 15.8.2015.
Mit Bescheid vom 1.9.2014 stellte die Beklagte fest, in der Zeit vom 1.8 - 23.10.2014 sei eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten; während dieser Zeit ruhe der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld. Außerdem mindere die Sperrzeit die Anspruchsdauer um ein Viertel, hier also um 180 Tage. Zur Begründung gab sie an, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages gelöst. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos wird. Das von der Klägerin geschilderte Motiv für die Arbeitsaufgabe stelle bei Abwägung mit den Interessen der Versichertengemeinschaft keinen wichtigen Grund dar.
Hiergegen legte die Klägerin am 19.9.2014 Widerspruch ein. Sie machte geltend, bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags habe sie beabsichtigt, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, also zum 1.8.2014, in vorzeitige Altersrente zu gehen. Nach der damaligen Rechtslage sei eine solche Rente nur mit Abschlag möglich gewesen; dies habe sie gewusst. Entsprechend ihrer ursprünglichen Absicht habe sie sodann im Jahr 2014 bei der DRV Baden-Württemberg einen Antrag auf vorzeitige Altersrente gestellt. Die DRV habe ihr geraten, zunächst noch ein Jahr lang Arbeitslosengeld zu beziehen und im Anschluss daran mit Vollendung des 63. Lebensjahres die neu eingeführte Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI ohne Abschlag in Anspruch zu nehmen. Angesichts dessen habe sie sich entschieden, nun doch noch nicht - wie ursprünglich geplant - zum 1.8.2014 aus dem Arbeitsleben auszuscheiden. Dies stelle ihre frühere Absicht indes nicht infrage. Denn die Altersrente nach § 236b SGB VI sei erst zum 1.7.2014 eingeführt worden. Bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags sei die Möglichkeit einer abschlagsfreien Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres noch nicht abzusehen gewesen. Im Übrigen habe sie zum 1.9.2015 wieder eine Beschäftigung aufgenommen. Auch das belege, dass sie nicht auf den Bezug von Arbeitslosengeld “hingearbeitet„ habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung bekräftigte sie ihre Auffassung, wonach die Klägerin für die Auflösung ihres Beschäftigungsverhältnisses keinen wichtigen Grund gehabt habe. Maßgeblich seien die Verhältnisse im Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe. Mit der Altersteilzeit habe der Gesetzgeber einen nahtlosen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen wollen - ohne einen Zwischenschritt über die Arbeitslosigkeit. Angesichts dessen fehle es an einem wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe...