Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. stufenweise Wiedereingliederung. kein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten zur Arbeit. Abgrenzung zur medizinischen Rehabilitation
Leitsatz (amtlich)
Gegenüber dem Rentenversicherungsträger besteht während einer von diesem erbrachten stufenweisen Wiedereingliederung kein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zwischen Wohnort und Arbeitsplatz.
Orientierungssatz
Anderes kann gelten, wenn die stufenweise Wiedereingliederung als Belastungserprobung im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs 2 Nr 7 SGB 9 durchgeführt wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Fahrtkosten für die Dauer einer stufenweisen Wiedereingliederung.
Die am … geborene Klägerin ist Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Vom 11.4.2012 bis 9.5.2012 nahm sie zu Lasten der Beklagten eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Anspruch. Die Entlassung erfolgte arbeitsunfähig mit Empfehlung von stufenweiser Wiedereingliederung. Diese fand dann vom 28.5.2012 bis 3.8.2012 statt.
Mit Fax vom 12.6.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Fahrkosten für ihren Weg zur Arbeit für die Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung mit der Begründung, dass es ihr aufgrund des gering bemessenen Übergangsgeldes von täglich 28,57 € nicht möglich sei, ihre täglichen Fahrten zur Arbeit selbst zu finanzieren.
Mit Bescheid vom 21.6.2012 teilte die Beklagte (u.a.) der Klägerin mit, dass aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen Fahrkosten nicht gewährt würden.
Am 12.7.2012 legte die Klägerin durch Schreiben ihres Bevollmächtigten Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handele. Gemäß § 44 SGB IX würden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch Reisekosten ergänzt. Die Fahrten zum Betrieb seien notwendig, um die dort stattfindende stufenweise Wiedereingliederung durchzuführen. Daher stünden die Fahrkosten in unmittelbarem Zusammenhang.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, dass es sich bei stufenweiser Wiedereingliederung nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handele.
Am 11.1.2013 ist die Klage beim Sozialgericht Kassel eingegangen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung um eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation handele. Dies ergebe sich ihrer Meinung nach aus der Systematik: § 28 SGB IX befinde sich im Kapitel mit der Überschrift “Leistungen zur medizinischen Rehabilitation„. Während einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation bestehe gemäß § 44 SGB IX Anspruch auf Reisekosten im Sinne von § 53 SGB IX. Nach der Rechtsprechung des BSG stehe eine stufenweise Wiedereingliederung im engen Zusammenhang mit der medizinischen Rehabilitation und daher habe die Beklagte wegen Einheitlichkeit auch die Fahrkosten zu übernehmen. Im Termin am 20.5.2014 hat die Klägerin mitgeteilt, von (abgerundet) 14km Entfernung x 40 Cent je Entfernungskilometer x die Tage von Montag bis Freitag im Zeitraum vom 29.5.2012 bis 3.8.2012 (da der 28.5.2012 ein Feiertag gewesen sei) auszugehen. In der mündlichen Verhandlung am 20.5.2014 hat die Klägerin die Meinung vertreten, dass die Berufung zuzulassen sei, weil durch die Frage eines etwaigen Anspruches auf Fahrtkosten während stufenweiser Wiedereingliederung nicht nur sie, sondern eine Vielzahl von solche in Anspruch nehmender Personen betroffen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.6.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 zu verurteilen, der Klägerin Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit während der stufenweisen Wiedereingliederung im Zeitraum vom 28.5.2012 bis 3.8.2012 nach gesetzlicher Maßgabe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handele, da diese nicht bei den Leistungen in § 26 Abs. 2 SGB IX aufgezählt werde. Auch sei eine stufenweise Wiedereingliederung keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX. Sie sei vielmehr in § 28 SGB IX separat geregelt. Sie ist der Meinung, dass der Gesetzgeber, wenn er die stufenweise Wiedereingliederung als Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation habe sehen wollen, diese in § 26 SGB IX hätte aufnehmen können und der eigenständige § 28 SGB IX dann nicht erforderlich gewesen sei. Auch im Recht der Krankenversicherung sei die stufenweise Wiedereingliederung nicht bei den Leistungen, sondern bei den Beziehungen zu den Leistungserbringern erwähnt - dementsprechend gebe es Krankengeld nicht aufgrund der stufenweisen Wiedereingliederun...