Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 12 SGB 7. Hilfe bei Unglücksfällen. ehrenamtliche Tätigkeit. Ausbildungsveranstaltung. Zwecksetzung. Fremdrettung. altruistische Motivation der Teilnehmer. Anknüpfungspunkt. lebensrettende Sofortmaßnahmen am Unfallort

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII setzt voraus, dass die Ausbildungsveranstaltung eine unmittelbare, hinreichende Sachnähe zur Hilfe bei Unglücksfällen hat. Die Teilnehmer müssen gerade für diesen Zweck des Unternehmens ausgebildet werden.

2. Der Versicherungsschutz folgt aus dem öffentlichen Interesse, möglichst viele Personen zur Hilfeleistung für Dritte zu qualifizieren, auch wenn sie die erworbenen Kenntnisse nicht sofort unmittelbar anwenden. Daher kann ein Versicherungsverhältnis auch nur bei solchen Ausbildungsmaßnahmen angenommen werden, die in erster Linie der Fremdrettung dienen, also eine überwiegend altruistische Motivation der Teilnehmer voraussetzen.

3. Diese teleologische Begrenzung der § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII unterfallenden Ausbil-dungsveranstaltungen muss an deren Inhalt anknüpfen und nicht an der persönlichen Zwecksetzung des einzelnen Teilnehmers.

4. Berufung anhängig beim Hess. LSG (Az.: L 9 U 38/13).

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2009 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass es sich bei dem klägerischen Verkehrsunfall vom 10.05.2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Verkehrsunfalls des Klägers am 10.05.2003 als Arbeitsunfall.

Der 1985 geborene Kläger war seinerzeit als Beifahrer in dem PKW seiner Mutter unterwegs. Sie fuhren mit zwei weiteren Mitfahrern auf der L xxx in Richtung B-Stadt. Gegen 7:45 Uhr kam es in Höhe von km 0,75 zu einem Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Dabei wurde die Mutter des Klägers getötet; der Kläger wurde schwer verletzt. Daraufhin wurde der Kläger als Notfall in ärztliche Behandlung verbracht, operiert und stationär aufgenommen. In der Folgezeit füllte der Kläger, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, einen Unfallfragebogen seiner Krankenkasse aus. Dabei wurden keine Angaben zu einem gesetzlich unfallversicherten Wegeunfall gemacht.

Vier Jahre später erfuhr die Beklagte erstmals von dem Unfallereignis des Klägers, als dieser unter dem 29.08.2007 die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung begehrte. Im Verwaltungsverfahren schilderte der Kläger der Beklagten Einzelheiten zu dem Unfall und seinen Folgen. Er gab an, er sei auf dem Weg zu dem Seminar “Sofortmaßnahmen am Unfallort„ in B-Stadt gewesen. Auf die Rückfrage, in welcher “Eigenschaft„ er an dem Seminar habe teilnehmen wollen, teilte er mit, dies habe er im Hinblick auf sein “zukünftig geplantes Engagement im Rettungswesen„ beabsichtigt. Es habe sich um ein Seminar des DRK B-Stadt gehandelt, das unter der Bezeichnung “Lebensrettende Sofortmaßnahmen„ am Samstag, dem 10.05.2003 ganztägig stattfand. Nach weiteren Ermittlungen der Beklagten begann die Veranstaltung, ein Seminar für Führerscheinbewerber, um 8 Uhr. Eine vorherige Anmeldung der Teilnehmer sei nicht erfolgt. Weiterhin wurde festgestellt, dass das streitgegenständliche Ereignis gegenüber einer anderen Mitfahrerin des Unfallfahrzeugs als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Sodann ließ die Beklagte den Kläger im Wege der Amtshilfe vernehmen. Seine Antworten auf die Fragen der Beklagten wurden handschriftlich auf dem Fragebogen vermerkt, auf den verwiesen wird (Bl. 162 f. der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 14.04.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 10.05.2008 als Versicherungsfall und dessen Entschädigung ab. Der Kläger habe sich nicht auf einem versicherten Weg befunden. Versicherungsschutz bestehe etwa für Ausbildungsveranstaltungen des DRK für Führerscheinbewerber. Der Kläger habe jedoch nicht angegeben, bei einer Fahrschule angemeldet gewesen zu sein. Vielmehr habe er mehrfach erklärt, es sei ihm um die Teilnahme an einem Seminar für angehende Rettungsassistenten gegangen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger fristgerecht Widerspruch. Im Vorverfahren ließ die Beklagte die übrigen Mitfahrer des Unfallfahrzeugs zeugenschaftlich vernehmen. Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21.01.2009 wurde der klägerische Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Am 20.02.2009 hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, dagegen Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben.

Der Kläger behauptet, er sei bereits vor dem Unfalltag bei der Fahrschule CZ., A-Stadt, angemeldet gewesen. Dort sei ihm die Teilnahme an dem für Führerscheinbewerber obligatorischen Kurs “Lebensrettende Sofortmaßnahmen„ beim DRK B-Stadt empfohlen worden.

Er ist der Ansicht, das Seminar, das er am Unfalltag besu...

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