Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Zahlung von Verletztengeld. Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Anspruch auf Beitragszahlung in entsprechender Anwendung der für das Krankengeld geltenden Vorschrift des § 47a SGB 5. unbewusste Regelungslücke

 

Orientierungssatz

Zum Anspruch auf Zahlung von Beiträgen an eine berufsständische Versorgungseinrichtung für Zeiten des Bezugs von Verletztengeld in analoger Anwendung der für das Krankengeld geltenden Vorschrift des § 47a SGB 5.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 17.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2016 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, für die Klägerin für den Zeitraum des Bezugs von Verletztengeld vom 01.01.2016 bis 15.05.2016 Beiträge in entsprechender Anwendung der für das Krankengeld geltenden Vorschriften an die berufsständische Versorgungseinrichtung der Klägerin zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Frage, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Beiträgen an eine berufsständische Versorgungseinrichtung für Zeiten des Bezugs von Verletztengeld hat.

Die Klägerin erlitt am 18. August 2015 als Beschäftigte auf der Rückreise von einer dienstlichen Veranstaltung einen Motorradunfall und war in der Folge bis 15. Mai 2016 arbeitsunfähig. Die Klägerin bezog während der Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 28. September 2015 bis einschließlich 15. Mai 2016 Verletztengeld. Ausweislich einer Bestätigung des Versorgungswerks der Architektenkammer NRW (Versorgungswerk) aus dem Jahr 2011 besteht für die Klägerin eine Pflichtmitgliedschaft im dortigen Versorgungswerk. Sie ist deshalb von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Der Arbeitgeber der Klägerin bestätigte gegenüber der Beklagten, dass er “den Arbeitgeberanteil monatlich mit der Gehaltsabrechnung„ erstatte.

Bereits im Jahr 2015 bat die Klägerin gegenüber ihrer mit der Auszahlung des Verletztengeldes beauftragten Betriebskrankenkasse (BKK) um eine Korrektur der aus ihrer Sicht zu geringen Höhe des Verletztengeldes, u.a. auch wegen ihrer “Rentenbeiträge an das Versorgungswerk„ (Schreiben vom 2. November 2015). Hierüber informierte die BKK die Beklagte mit Schreiben vom 18. November 2015 und bat diese sodann mit Schreiben vom 25. August 2016 um Mitteilung, ob ab dem 1. Januar 2016 ein entsprechender Beitragszuschuss in analoger Anwendung des § 47a des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) abzuführen sei.

Die Beklagte teilte daraufhin der BKK mit Schreiben vom 17. Oktober 2016 mit, dass zu ihren Lasten kein Beitragszuschuss an das Versorgungswerk in analoger Anwendung des § 47a SGB V abgeführt werden könne. Der Ausschuss für Rechtsfragen der Geschäftsführerkonferenz der DGUV habe sich im April 2016 mit dieser Frage befasst und hier keine planwidrige Regelungslücke gesehen. Die Klägerin erhielt unter dem gleichen Datum einen Abdruck des Schreibens. Der von ihr hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2016 zurückgewiesen. Der Gesetzgeber habe keine Notwendigkeit für die Aufnahme eines Verweises auf § 47a SGB V oder eine eigenständige Regelung im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gesehen, obwohl ihm die Frage nicht unbekannt gewesen sein dürfte. Im Übrigen gelte § 31 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach Rechte und Pflichten im Bereich der Sozialversicherung nur begründet werden dürften, wenn ein Gesetz es vorschreibe (Vorbehalt des Gesetzes).

Ihre Klage ließ die Klägerin - wie bereits den Widerspruch - damit begründen, dass sie ohne eine analoge Anwendung des zum 1. Januar 2016 eingeführten § 47a SGB V bei Bezug von Verletztengeld schlechter gestellt wäre als bei Bezug von Krankengeld. Es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor, ein Grund für die Schlechterstellung von Verletztengeldempfängern gegenüber Krankengeldempfängern sei nicht ersichtlich.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 17. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum des Bezugs von Verletztengeld vom 1. Januar 2016 bis 15. Mai 2016 einen Beitragszuschuss entsprechend § 47a SGB V an die berufsständische Versorgungseinrichtung der Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Das Schreiben der Beklagten vom 17. Oktober 2016 war zwar nicht als Verwaltungsakt bezeichnet, es war aber auf eine (negativ feststellende) Regelung des vorliegenden Einzelfalls gerichtet und hatte gegenüber der Klägerin hoheitliche Wirkung.

Die Klage ist auch begründet, da die Klägerin für den geltend gemachten Zeitraum einen Anspruch auf Entrichtung von Beiträ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge