Entscheidungsstichwort (Thema)
Angelegenheiten nach dem SGB II
Leitsatz (amtlich)
1. Eilrechtsschutz wegen der Anrechnung von Familiengeld nach dem Bayerischen Familiengeldgesetz (BayFamGG) auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht zu gewähren. Das Bayerische Familiengeld muss als bereites Mittel zumindest vorläufig zur Bestreitung des Lebensunterhalts eingesetzt werden.
2. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist offen. Für die Anrechenbarkeit von Familiengeld auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende spricht, dass die Zweckgebundenheit durchaus zweifelhaft erscheint. Insoweit wird zu prüfen sein, ob eine allgemeine sozialpolitische Intention wie die “Anerkennung der Erziehungsleistung bayerischer Eltern„ ausreicht, einen Zweck im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu begründen.
3. Selbst wenn sich wegen einer Vergleichbarkeit des Familiengeldes mit Erziehungsgeld aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der Fassung vom 09.02.2004 i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG eine Anrechnungsfreiheit ergeben würde, müsste das Verhältnis dieser Vorschrift zu den §§ 11 Abs. 1, 11a Abs. 3 SGB II eingehend geprüft werden.
4. Die unterschiedliche Praxis der Jobcenter, je nachdem, ob sie als gemeinsame Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II oder als zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6d SGB II (Optionskommunen) tätig werden, kann keinen Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 GG) begründen, weil es sich um unterschiedliche Hoheitsträger handelt.
Tenor
I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
I.
Mit ihrem Eilantrag wenden sich die Antragsteller (ASt) im Zusammenhang mit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) gegen die Anrechnung von Familiengeld nach dem Bayerischen Familiengeldgesetz (BayFamGG) vom 24.07.2018.
Die ASt stehen im Leistungsbezug nach dem SGB II beim Antragsgegner (Ag). Am 12.06.2018 beantragten sie die Weiterbewilligung der Leistungen für den Zeitraum ab 01.07.2018. Sie gaben an, zu viert in Bedarfsgemeinschaft zusammenzuleben. Der ASt zu 2. erziele Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in monatlich schwankender Höhe. Als Nachweis wurde die Lohnabrechnung Mai 2018 beigefügt, aus der sich ein Nettoeinkommen von 1.632,33 ergibt. Die 2016 geborenen ASt zu 3. und 4. erhielten jeweils Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Außerdem werde der ASt zu 1. für die Zwillinge Betreuungsgeld nach dem Bayerischen Betreuungsgeldgesetz vom 14. Juni 2016 (BayBtGG) in Höhe von monatlich jeweils 150 EUR bis November 2018 gewährt. Für die Wohnung würde eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 377 EUR anfallen. Hinzu kämen Vorauszahlungen in Höhe von 155,50 EUR auf die Nebenkosten und in Höhe von 96 EUR auf die Heizkosten.
Mit Bescheid vom 14.06.2018 bewilligte der Ag den ASt für den Zeitraum 01.07.2018 bis 31.12.2018 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 21,15 EUR von Juli bis Oktober 2018 sowie 262,48 EUR von November bis Dezember 2018. Die Vorläufigkeit der Bewilligung wurde mit dem schwankenden Einkommen des ASt zu 2. begründet.
Für Dezember 2018 ging der Ag von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.856,48 EUR aus. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Regelbedarf von jeweils 374 EUR bei den ASt zu 1. und 2. sowie von jeweils 240 EUR bei den ASt zu 3. und 4. und Kosten der Unterkunft in Höhe von 157,12 EUR pro Person. Als Einkommen rechnete der Ag beim ASt zu 2. vorläufig 1.530 EUR netto an, wobei der Betrag noch um Freibeträge in Höhe von 330 EUR gemindert wurde. Bei der ASt zu 3. rechnete er das Kindergeld in Höhe von 194 EUR als Einkommen an sowie bei der ASt zu 4. das Kindergeld in Höhe von 200 EUR. Am 04.07.2018 erging wegen der Entziehung des Bayerischen Betreuungsgeldes mit Wirkung zum 19.09.2018 ein Änderungsbescheid, der jedoch den hier relevanten Monat Dezember 2018 nicht betraf.
Mit Schreiben vom 05.09.2018 forderte der Ag die ASt zu 1. zur Mitwirkung auf und verlangte Angaben dazu, ob die ASt für ihre Zwillinge nach Entziehung des Bayerischen Betreuungsgeldes nunmehr Bayerisches Familiengeld nach dem BayFamG erhalten würden. Zum Nachweis sollten der Bewilligungsbescheid des zuständigen Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) und ein Kontoauszug vorgelegt werden, aus dem sich das Datum des Zuflusses ergebe. Hilfsweise wurde die ASt zu 1. aufgefordert, beim ZBFS einen Antrag auf Familiengeld zu stellen. In der anschließenden persönlichen Vorsprache beim Ag verweigerte die ASt zu 1. die Vorlage der Familiengeldbescheide, weil diese Leistung ohnehin nicht auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei.
Am 15.10.2018 haben die ASt beim Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung führen sie aus, dass das Bayerische Familiengeld nach Presseberichten nicht auf "Hartz IV" anzurechnen sei. In einigen Jobcentern in Bayern würde dies auch so geha...