Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen zur Arbeitsförderung: Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Erhalt einer Entlassungsentschädigung. Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Kündigung eines tarifvertraglich nicht kündbaren Arbeitsvertrages nach Zustimmung zur Kündigung durch die Tarifvertragsparteien und Zahlung einer Entlassungsentschädigung
Orientierungssatz
Haben die Tarifparteien der Kündigung von nach dem Tarifvertrag unkündbaren Beschäftigten unabhängig von der Zahlung einer Entlassungsentschädigung zugestimmt, so führt die Zahlung einer solchen Entschädigung jedenfalls dann nicht zum Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber ordentlich gekündigt wurde und das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortgesetzt wird. Das gilt auch dann, wenn die Tarifparteien bei der Vereinbarung der Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses die Zahlung einer Entlassungsentschädigung tatsächlich erwartet haben.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2020 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.10.2020 bis 27.12.2020 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Drittes Buch (SGB III) geführt. Es ist zwischen den Beteiligten ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach Entlassungsentschädigung streitig.
Der Kläger war seit fast 48 Jahren als Prüftechniker bei der Firma S. beschäftigt, als es im Zusammenhang mit Personal-Einsparungsmaßnahmen zu Verhandlungen über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses kam. Zu diesem Zeitpunkt war er nach § 8 Ziff. 2 Abs. III des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (im Folgenden: MTV) bereits seit Langem tariflich ordentlich unkündbar. Dies gilt nach einer Ausnahmevorschrift des MTV jedoch u.a. dann nicht, wenn die Tarifvertragsparteien dennoch einer ordentlichen Kündigung schriftlich zustimmen. Im Falle einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber hätte die Kündigungsfrist sieben Monate zum Monatsende betragen (§ 8 Ziff. 2 Abs. II MTV). Mit Schreiben vom 20.01.2020 stimmte die IG Metall gegenüber dem Arbeitgeber einer Ausnahme vom tariflichen Alterskündigungsschutz und damit einer ordentlichen Kündigung des Klägers zu. Die Zustimmung wurde ausdrücklich unabhängig davon erteilt, ob eine Abfindung geleistet werde oder nicht. Die verlängerten tariflichen Kündigungsfristen sollten erhalten bleiben.
Am 06.02.2020 schloss der Kläger daraufhin mit seinem Arbeitgeber zur Vermeidung einer ansonsten ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung einen Aufhebungsvertrag bei sofortiger Freistellung unter Einhaltung der tariflichen ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten, mithin zum 30.09.2020. Außerdem wurde vereinbart, dass der Kläger einen Abfindungsbetrag von 53.699,16 EUR brutto erhalten solle, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werde.
Der Kläger meldete sich am 30.08.2020 mit Wirkung zum 01.10.2020 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. In der daraufhin eingeholten Arbeitgeberanfrage gab die Firma S. an, dass sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.09.2020 gekündigt hätte, wenn kein Aufhebungsvertrag zustande gekommen wäre.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld erst ab dem 28.12.2020 und stellte mit Bescheid vom 12.10.2020 fest, dass der Arbeitslosengeldanspruch vom 01.10.2020 bis 27.12.2020 wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung ruhe.
Seinen dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2020 als unbegründet zurück. Im Falle des Klägers sei nach § 158 Abs. 1 S. 4 SGB III eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr anzusetzen, welche mit sieben Monaten hier nicht eingehalten worden sei. Die Zustimmung der Tarifvertragsparteien zur Kündigung des ordentlich unkündbaren Klägers sei nur mit dem Ziel erteilt worden, diesen vor einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches zu schützen. Die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass eine Entlassungsentschädigung gezahlt werde. Dafür sprächen auch die Erläuterungen des Arbeitgeberverbandes zum Manteltarifvertrag: "Der vierte Ausnahmetatbestand vom Kündigungsschutz altersgesicherter Arbeitnehmer ist die schriftliche Zustimmungserklärung der Tarifvertragsparteien zu einer Kündigung. Dieser Ausnahmetatbestand ist erforderlich geworden, um altersgesicherten Arbeitnehmern von den in §§ 148,157,158 und 159 SGB III enthaltenen Leistungskürzungen beim Arbeitslosengeldanspruch durch Ruhens- und Sperrzeiten zu schützen. Von diesen Nachteilen sind vor allem ‚unkündbare' Arbeitnehmer bei Betriebsänderungen und Aufhebungsverträgen betroffen. Durch eine Zustimmung der Tarifvertragsparteien können gleichwohl mögliche Nachteile deutlich gemildert werden. Die Zustimmun...