Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundeselterngeld. Berechnung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens. Einbeziehung von im Bemessungszeitraum bezogenem Streikgeld trotz dessen Steuerfreiheit. eigene sozialrechtliche Bewertung. keine Anrechnung des fiktiven Einkommens, das ohne Streik bezogen worden wäre
Leitsatz (amtlich)
1. Streikgeld ist im Rahmen der Elterngeldberechnung bei der Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes als Einkommen zu berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, dass Streikgeld in der steuerlichen Praxis nicht zu den der Einkommenssteuer unterliegenden Einnahmen zählt.
2. Eine eigene sozialrechtliche Beurteilung des Streikgelds im Rahmen des BEEG ist zulässig und notwendig, weil das EStG diesbezüglich keine unmittelbare eindeutige Regelung enthält und die uneinheitliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur möglichen Einordnung von Streikgeld als (steuerpflichtige) Entschädigung gemäß § 24 Nr 1a EStG ohne abschließende Klärung geblieben ist.
3. Nach eigener Bewertung im Lichte der Grundrechte aus Art 3 Abs 1 GG und Art 9 Abs 3 GG ist Streikgeld im Elterngeldrecht als steuerpflichtige Entschädigung im Sinne des § 24 Nr 1a EStG anzusehen, wie auch vom 3. Senat des Bundesfinanzhofs vertreten. Der Widerspruch zur steuerlichen Praxis, die der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundesfinanzhofs folgt, kann hingenommen werden.
4. Eine Berücksichtigung des fiktiven Arbeitslohnes, der ohne Streik bezogen worden wäre, kommt im Rahmen der Ermittlung des Durchschnittseinkommens nicht in Betracht, weil das Elterngeld nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelungen des BEEG an das tatsächlich bezogene Einkommen im Bemessungszeitraum anknüpft und nur für dessen Wegfall einen Ausgleich schaffen soll. Fiktive Einnahmen gehen nicht aus Anlass der Geburt und Erziehung eines Kindes tatsächlich verloren.
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 24. August 2007 und vom 15. Januar 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2009 und des Bescheids vom 14. Juli 2009 verpflichtet, der Klägerin auf den Antrag vom 7. Mai 2007 hin Elterngeld in gesetzlicher Höhe mit der Maßgabe zu gewähren, das von der Klägerin im Bemessungszeitraum bezogene Streikgeld als Einkommen bei der Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens zu berücksichtigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bewilligung höheren Elterngeldes aufgrund eines nach ihrer Auffassung höher anzusetzenden Durchschnittseinkommens im Bemessungszeitraum.
Die Klägerin, geboren im Jahr 1971, ist Angestellte im öffentlichen Dienst und Gewerkschaftsmitglied. Ihr übliches Gehalt im Jahr 2006 betrug monatlich 2.381,13 EUR brutto zzgl Urlaubsgeld im Juli 2006. In den Monaten März bis Juni 2006 nahm die Klägerin während der tariflichen Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst an gewerkschaftlich organisierten Streikaktionen teil. Der Arbeitgeber kürzte den Bruttolohn der Klägerin in den vier Monaten entsprechend der Anzahl der Tage, an denen die Klägerin am Arbeitskampf teilnahm, um insgesamt 2.323,37 EUR. Während dieser Zeit erhielt die Klägerin von ihrer Gewerkschaft Streikgeld iHv insgesamt 1.945,60 EUR.
Am 6. Februar 2007 brachte die Klägerin ihr Kind G. zur Welt und beantragte am 22. Februar 2007 für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Elterngeld beim Beklagten.
Dieser bewilligte ihr mit Bescheid vom 24. August 2007 Elterngeld iHv zunächst 699,82 EUR monatlich. Unter Berücksichtigung des Bezugs von Mutterschaftsgeld ab Dezember 2006 lag der Bewilligung ein ermitteltes Durchschnittseinkommen in den Monaten von Dezember 2005 bis November 2006 iHv 1.044,51 EUR zugrunde. Dabei bezog der Beklagte nur das streikbedingt verringerte Gehalt in den Monaten März bis Juni 2006 ein. Das von der Gewerkschaft in diesem Zeitraum gezahlte Streikgeld iHv insgesamt 1.945,60 EUR berücksichtigte er hingegen nicht. Außerdem ließ der Beklagte die Auswirkungen eines zum Oktober 2006 durchgeführten Wechsels der Lohnsteuerklasse außer Betracht.
Mit Schreiben vom 21. September 2007 legte die Klägerin gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch ein und wandte sich gegen die Nichtberücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels sowie die Handhabung der Streikauswirkungen.
Am 15. Januar 2008 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 24. August 2007 aufgrund eines Berechnungsfehlers auf und setzte das monatliche Elterngeld auf 695,54 EUR neu fest. Das zugrunde liegende Einkommen im Bemessungszeitraum verringerte sich nunmehr auf 1.038,12 EUR. Im Übrigen hielt der Beklagte an der bisherigen Handhabung hinsichtlich des Lohnsteuerklassenwechsels und des Streikgeldes fest und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2009 als unbegründet zurück.
Am 27. Fe...