Im März 2010 hat die ISO die DIN EN ISO 9241-210 "Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme" publiziert. ISO 9241-210 ist die Norm für benutzerorientiertes Vorgehen ("menschzentrierter Gestaltungsprozess") in Entwicklungsprojekten. Die Norm richtet sich vorrangig an Projektleiter, die systematisch Usability-Engineering-Aktivitäten im Entwicklungsprojekt planen und verankern wollen.
Im Grunde genommen ist der zu treibende Aufwand für die Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit unabhängig davon, ob Software für das eigene Unternehmen entwickelt wird ("Individualsoftware") oder ob Software für das eigene Unternehmen gekauft wird ("Standardsoftware"). Das Risiko, "unpassende" und damit mental belastende und ineffiziente Software einzuführen, ist sowohl bei Eigenentwicklung als auch bei Kauf gleichermaßen vorhanden. Abb. 3 zeigt, welche qualitätssichernden Maßnahmen im Prozess der Entwicklung oder Beschaffung durchzuführen sind, um das Risiko von Fehlentwicklung/Fehlkauf systematisch zu minimieren.
Abb. 3: Notwendige Usability-Engineering-Aktivitäten in Entwicklungsprojekten nach DIN EN ISO 9241-210
1. Den Nutzungskontext verstehen und beschreiben
Darunter wird verstanden, dass die Benutzergruppen und deren Aufgaben, die mit der Software unterstützt werden, zunächst systematisch identifiziert und beschrieben werden. Nur so können die Erfordernisse ("user needs") und die Nutzungsanforderungen ("usability requirements") in einem weiteren Schritt identifiziert und spezifiziert werden.
2. Die Nutzungsanforderungen spezifizieren
Nutzungsanforderungen beschreiben, welche
- Eingaben ein Benutzer bei der Aufgabenerledigung an der Software machen können muss,
- Auswahlmöglichkeiten dem Benutzer bei der Aufgabenerledigung an der Software angeboten werden müssen,
- Informationen der Benutzer bei der Aufgabenerledigung an der Software verfügbar haben muss.
Diese Nutzungsanforderungen lassen sich umfassend aus dem Nutzungskontext (primär den Arbeitsaufgaben der Benutzer) herleiten.
3. Gestaltungslösungen entwickeln, die die Nutzungsanforderungen erfüllen
Gestaltungslösungen zu entwickeln, die die Nutzungsanforderungen erfüllen, bedeutet, dass
- die Interaktion mit der Software modelliert wird und
- die Information visualisiert wird, die die Software bei der Interaktion anbieten muss.
Für die Modellierung der Interaktion eignen sich "Nutzungsszenarien", eine Notationsform, die im Leitfaden Usability der Deutschen Akkreditierungsgesellschaft (DAkkS) veröffentlicht wurde. Auf dieser Basis sollten "User Interface Prototypen" entwickelt werden, die einen Test mit Nutzern erlauben und so frühzeitig Nutzungsprobleme erkennbar und abstellbar machen. User Interface Prototypen lassen sich mit sog. "Prototyping-Tools" entwickeln, ohne dass dabei wirklich programmiert werden muss.
4. Gestaltungslösungen aus der Benutzerperspektive evaluieren
Gestaltungslösungen aus der Benutzerperspektive evaluieren bedeutet, dass man mithilfe von Benutzern überprüft, ob ein effizientes Arbeiten mit der vorgedachten Lösung auch wirklich ermöglicht wird. Soweit man dieses Evaluieren mit interaktiven Prototypen durchführt, kann für die eigentliche technische Entwicklung der Software eine solide "Entwicklungsvorlage" geschaffen werden.