Rz. 32

Der Versicherte ist, da er die Beiträge aus den Versorgungsbezügen allein zu tragen hat, materiellrechtlich Beitragsschuldner gegenüber der Krankenkasse. Wenn das Beitragseinzugsverfahren zu seinen Lasten tatsächlich nicht durchgeführt wurde, wird er dadurch von der eigenen Beitragspflicht gegenüber der Krankenkasse nicht frei. Abs. 2 enthält eine Auflistung typischer Fallkonstellationen, in denen der Beitragseinbehalt durch die Zahlstelle nicht ordnungsgemäß war, nicht auf diesem Weg nachgeholt werden kann oder als nicht praktikabel erscheint und lässt zu, dass die Krankenkasse die Beiträge beim Versicherten direkt geltend machen kann. Anders als beim Beitragseinzug beim Arbeitgeber nach § 253 i.V.m. §§ 28d, 28e SGB IV wird die Zahlstelle daher nicht auch materiell zur Beitragsschuldnerin oder zur Haftenden für Beiträge aus Versorgungsbezügen.

 

Rz. 33

Die Regelungen des Abs. 2 und die Ermächtigung zu Vereinbarungen zwischen Krankenkasse und der Zahlstelle der Versorgungsbezüge betreffen jedoch nur die Tatbestände nach Abs. 1 Satz 1. Soweit dieses Zahlungsverfahren schon dem Grunde nach nicht anwendbar ist, z. B. wegen fehlender Krankenversicherungspflicht, bei Abfindungen von Versorgungsbezügen oder Versorgungsbezügen als einmalige Leistung (§ 229 Abs. 1 Satz 3) und ausländischen Versorgungsbezügen, folgt die Beitragszahlungspflicht des Versorgungsbezugsempfängers aus § 250 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 252, nicht aus Abs. 2.

2.2.1 Unterbliebener Einzug (Abs. 2 Satz 1)

 

Rz. 34

Für den Fall des unterbliebenen Beitragseinbehaltes wird auf die Vorschriften zum Einbehalt der Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 255 Abs. 2 Satz 1 und 2) verwiesen. Auf die Gründe oder ein Verschulden für den unterbliebenen Beitragseinbehalt kommt es nicht an. Daraus ergeben sich zwei Fallgestaltungen:

a) Werden weiterhin Versorgungsbezüge gezahlt, kommt es zum nachträglichen Einbehalt durch die Zahlstelle.

b) Werden keine Versorgungsbezüge mehr gezahlt, hat die Krankenkasse die Beiträge vom Versicherten anzufordern.

 

Rz. 35

Werden Versorgungsbezüge weiterhin gezahlt, ist der nachträgliche Einbehalt durch die Zahlstelle zwingend. Diese hat die bislang nicht einbehaltenen Beiträge zu berechnen und kann diese bis zur Hälfte des Zahlbetrages der Versorgungsbezüge einbehalten. Dieser nachträgliche Einbehalt erfolgt neben dem Einbehalt der laufenden Beiträge so lange, bis der Beitragsrückstand ausgeglichen ist. Der nachträgliche Einbehalt ist nur dadurch begrenzt, dass der Versorgungsbezugsempfänger nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII oder des SGB II werden darf; dies folgt aus dem Verweis auf § 51 SGB I in § 255 Abs. 2 Satz 1. Die Hilfebedürftigkeit richtet sich nach allen Einnahmen des Versorgungsbezugsempfängers und ist nicht auf die Prüfung anhand der Versorgungsbezüge beschränkt. Diese Einnahmen müssen daher von der Zahlstelle der Versorgungsbezüge ermittelt werden. Die Hilfebedürftigkeit richtet sich nach den maßgebenden Regelsätzen der §§ 27 ff. SGB XII bzw. §§ 7 ff. SGB II. Auch in den Fällen des Einbehalts rückständiger Beiträge gilt, dass der Versorgungsberechtigte die Hilfebedürftigkeit nachzuweisen hat, ggf. durch die Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen Trägers. Eine Berechnung nach den Tabellenwerten des § 850c ZPO über Pfändungsfreigrenzen dürfte aber nicht zu beanstanden sein. Stundungsvereinbarungen zwischen Zahlstelle und Empfänger der Versorgungsbezüge sind im Zusammenhang mit dem nachträglichen Einbehalt möglich, bedürfen jedoch der Zustimmung der Krankenkasse.

 

Rz. 36

Die nachzuzahlenden Beiträge werden, mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung, nach dem (zusätzlich) einbehaltenen Beitrag am 15. des Folgemonats fällig. Der Zahlstelle ist es aber unbenommen, den Gesamtbetrag der Beiträge an die Krankenkasse zu zahlen und diese (rückständigen) Beiträge dann beim Versorgungsempfänger vom Zahlbetrag der laufenden Versorgungsbezüge nach Maßgabe der Grenzen des § 255 Abs. 2 einzubehalten (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 20.3.2020, 12 U 101/19).

 

Rz. 37

Die Erhebung rückständiger Beiträge aus den Versorgungsbezügen ist ausgeschlossen, wenn diese nicht mehr gezahlt werden. In diesen Fällen zieht die Krankenkasse die Beiträge ein, indem sie ihre Beitragsforderung gegenüber dem Versicherten selbst durch Beitragsbescheid geltend macht und auch unmittelbar Zahlung an sich verlangt. Nach Einstellung der Zahlung von Versorgungsbezügen können auch solche Beiträge geltend gemacht werden, die durch nachträglichen Einbehalt noch nicht ausgeglichen sind oder deren Einbehalt an § 51 Abs. 2 SGB I gescheitert war. Allerdings kann die Durchsetzung der Beitragsforderung der Krankenkasse an der Hilfebedürftigkeit oder der Unpfändbarkeit des Einkommens scheitern.

2.2.2 Nachzahlung von Versorgungsbezügen (Abs. 2 Satz 2 und 3)

 

Rz. 38

Abweichend von der Einbehaltung der Beiträge durch die Zahlstelle zieht die Krankenkasse die Beiträge aus den Versorgungsbezügen bei Nachzahlungen ein. Zu Nachzahlungen kommt es insbesondere im Zusammenhang mit der erstmaligen Bewilligung der Leistungen, wenn zuvor die recht...

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