Rz. 2
Grund und Hintergrund der Regelungen über den Erlass und die Ermäßigung von Beiträgen war und ist die durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) ab dem 1.4.2007 eingeführte Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 für Personen, die zuletzt gesetzlich krankenversichert waren und über keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügen (vgl. Komm. zu § 5). Diese Krankenversicherungspflicht entstand und entsteht kraft Gesetzes mit dem ersten Tag ohne Absicherung im Krankheitsfall (§ 186 Abs. 11 Satz 1) und bei Ausländern, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, mit dem ersten Tag der Geltung der Niederlassungserlaubnis oder der Aufenthaltserlaubnis (§ 186 Abs. 11 Satz 2). Aus dem Beginn der Versicherungspflicht folgt auch die Beitragszahlungspflicht nach den für freiwillig Versicherte geltenden Vorschriften (§ 223 Abs. 1 i. V. m. §§ 227, 240). Zudem waren mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) in § 24 Abs. 1a SGB IV für Pflichtversicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 und freiwillige Mitglieder die Säumniszuschläge auf 5 % des rückständigen Krankenkassenbeitrags monatlich heraufgesetzt worden, weil Einnahmeausfälle von der Versichertengemeinschaft auszugleichen sind und die Sanktion durch Säumniszuschläge in Höhe von einem Prozent als nicht ausreichend angesehen wurden (so die Begründung zum GKV-WSG in BT-Drs. 16/3100 S. 182). Die Höhe dieser Säumniszuschläge hatte das BSG (Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 3/11 R) als verfassungsgemäß bestätigt.
Rz. 3
Der Personenkreis der nicht gegen Krankheit Versicherten, wozu z. B. alle aus einer Pflicht- oder Familienversicherung ausgeschiedenen Personen gehörten, die sich nicht freiwillig weiterversichert hatten, aber auch die früher aus der freiwilligen Mitgliedschaft wegen Beitragsrückstands (nach § 191 Satz 1 Nr. 3 i. d. F. bis 31.3.2007) ausgeschlossenen Personen oder bisher gar nicht Krankenversicherte, konnten von den Krankenkassen nicht erfasst werden. Eine ausdrückliche Meldepflicht oder Anzeigepflicht der nicht gegen Krankheit Versicherten nach §§ 198ff. bestand und besteht nicht. Diese ergibt sich auch nicht aus § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, denn die danach bestehende Auskunftspflicht wegen einer möglichen Versicherungspflicht entsteht erst auf Verlangen der Krankenkasse (vgl. Komm. zu § 206). Hinzu kam, dass eine Vielzahl von nicht gegen Krankheit Versicherten aus Unkenntnis der (neuen) Versicherungspflicht oder auch um Beitragspflichten bewusst zu vermeiden, sich nicht bei der zuständigen letzten Krankenkasse (§ 174 Abs. 5) gemeldet hatten. In der Praxis führte dies dazu, dass die Pflichtversicherung der nicht anderweitig gegen Krankheit abgesicherten Personen zumeist erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung von der Krankenkasse festgestellt werden konnte und wurde. Die für zurückliegende Zeiten (ggf. ab 1.4.2007) festgestellte Pflichtversicherung hatte zur Folge, dass auch für diese zurückliegenden Zeiten Beitragsansprüche kraft Gesetzes entstanden waren und von den Krankenkassen geltend gemacht wurden. Dadurch ergaben sich, auch unter Berücksichtigung der Verjährung nach § 25 SGB IV, erhebliche finanzielle Belastungen für die Versicherten, die vielfach nicht erfüllt werden konnten oder wurden, wodurch es zu einem erheblichen Beitragsrückstand der Versicherten und einem "Schuldenberg" in der gesetzlichen Krankenversicherung kam.
Rz. 4
§ 186 Abs. 11 Satz 4 (in der bis 31.7.2013 geltenden Fassung) ermächtigte und verpflichtete die Krankenkassen zwar dazu, in der Satzung Regelungen vorzusehen, nach der die kraft Gesetzes entstandenen Beiträge ermäßigt, gestundet oder von deren Erhebung ganz oder teilweise abgesehen werden konnte. Dies war jedoch davon abhängig, dass die Versicherungspflicht unverschuldet verspätetet angezeigt wurde. In der Praxis fand die Regelung des § 186 Abs. 11 Satz 4 daher eher selten Anwendung, weil kaum nachweisbar war, dass das Mitglied die verspätete Anzeige nicht zu vertreten hat (so BT-Drs. 17/13947 S. 38). Die Regelung des § 256 a verzichtet daher auf die Gründe, die zu der erst verspätet erfolgte Meldung und die daraufhin festgestellte Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 geführt hatten und sieht in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der erfolgten Anzeige für verschiedene Fallkonstellationen die Ermäßigung oder den Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen vor. Im Ergebnis beinhalten die Regelungen über die auch rückwirkende Reduzierung der Beiträge lediglich die formalrechtliche Grundlage dafür, dass die Höhe der kraft Gesetzes entstandenen Beitragsrückstände für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung reduziert wird, so dass der "Schuldenberg" abgebaut wird. Die vorgesehenen Beitragsreduzierungen oder der Beitragserlass haben keine Auswirkungen auf die kraft Gesetzes bestehende Versicherungspflicht,...