2.2.1 Grundsätzliches
Rz. 5
Der Anspruch auf Krankengeld ruht, soweit und solange der Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder der selbstständig Tätige Arbeitseinkommen erhält. Der Begriff "soweit" bezieht sich auf die Höhe und der Begriff "solange" auf die Dauer des vom Arbeitgeber gezahlten beitragspflichtigen Arbeitsentgelts.
Durch die Regelung soll erreicht werden, dass Doppelleistungen (= z. B. Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und gleichzeitiges Krankengeld von der Krankenkasse) vermieden werden.
Arbeitsentgelt sind alle Bar- oder Sachbezüge, die der Versicherte im Zusammenhang mit geleisteter oder noch zu leistender Arbeit aus einer unselbständigen Beschäftigung bezieht (§ 14 SGB IV, SvEV). Dazu zählt auch die Entgeltfortzahlung nach § 3 bzw. § 9 EFZG oder nach § 616 BGB. Es gilt jedoch eine Ausnahme: Zahlt der Arbeitgeber lediglich einen Zuschuss zum Krankengeld, ist dieser Zuschuss evtl. voll oder nur teilweise kein Arbeitsentgelt mit der Folge, dass das Krankengeld nicht ruht. Ein vom Arbeitgeber gezahlter Zuschuss zum Krankengeld kann nur der vermögenswerte Vorteil sein, der während des Krankengeldzuschusses gezahlt wird und keinen konkreten bzw. abstrakten Arbeitsstunden zuzuordnen ist. Einzelheiten: vgl. Rz. 18.
Die Ruhenswirkung auf das Krankengeld bezieht sich nur auf das tatsächlich erhaltene Arbeitsentgelt. Maßgeblich ist also die tatsächliche Zahlung des Arbeitsentgelts. Verweigert der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung zu Unrecht, besteht ein Anspruch auf Krankengeld und die Ruhenswirkung greift nicht. Der Anspruch des Versicherten gegen seinen Arbeitgeber geht dann kraft Gesetzes bis zur Höhe des geleisteten Krankengeldes auf die Krankenkasse über (§ 115 SGB X).
Der Begriff des Arbeitseinkommens entspricht der Legaldefinition des § 15 SGB IV. Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen sollten die Erklärungen des Versicherten als ausreichend angesehen werden, sofern keine verwertbaren Anhaltspunkte vorliegen (vgl. GR v. 3.12.2020, Ziff. 6.1.1.2).
Rz. 6
Die Ruhenswirkung kann allerdings nur vom laufenden Arbeitsentgelt ausgehen; einmalig gezahlte Arbeitsentgelte – also Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden (§ 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV) – lösen keine Ruhenswirkung aus (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 HS 2). Dies gilt auch dann, wenn bisherige Einmalzahlungen beitragspflichtig waren und nach § 47 Abs. 2 Satz 6 bei der Berechnung des Regelentgelts berücksichtigt wurden.
2.2.2 Anrechnung nur von zeitgleichem Arbeitsentgelt
Rz. 7
Angerechnet wird nur das Arbeitsentgelt bzw. -einkommen, das während des Krankengeldbezuges "erwirtschaftet" wird. Einkommen, das in der Zeit vor Beginn des Krankengeldanspruches erarbeitet wurde, bleibt unberücksichtigt. Auf den Zeitpunkt der Auszahlung oder des Einkommenszuflusses kommt es nicht an. Somit lösen zeitversetzt gezahlte variable Arbeitsentgeltbestandteile, die während des Bezugs von Krankengeld ausgezahlt werden, keine Ruhenswirkung aus.
Eine wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Urlaubsabgeltung bewirkt ebenfalls kein Ruhen des Krankengeldes, weil die Urlaubsabgeltung kein mit der Krankengeld-Zahlung zeitlich konkurrierendes Arbeitsentgelt ist (BSG, Urteil v. 30.5.2006, B 1 KR 26/05 R).
2.2.3 Höhe der Anrechnung
Rz. 8
Da das Krankengeld bei Arbeitnehmern auf das Nettoarbeitsentgelt begrenzt ist (vgl. 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2), wird auf das Krankengeld auch nur
- das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt (Nettoarbeitsentgelt; vgl. Rz. 9 ff.) bzw.
- das um 30 % verminderte Brutto-Arbeitseinkommen (Rz. 14 f.)
angerechnet.
2.2.3.1 Zu berücksichtigende und nicht zu berücksichtigende Arbeitsentgelte
Rz. 9
Erhält der Versicherte während des Bezuges von Krankengeld Sachbezüge oder sonstige geldwerte Vorteile (kostenfreie Wohnung, Firmenwagen, Übernahme der Kontoführungsgebühren etc.), mindert sich das Krankengeld um deren Werte (Wert des daraus berechneten Nettoarbeitsentgelts; vgl. Rz. 11). Der Wert des weitergewährten Sachbezuges (Bruttowert), von dem während der Arbeitsunfähigkeit neben Steuern ggf. auch Sozialabgaben zu berechnen sind, richtet sich nach der SvEV.
Auch vermögenswirksame Leistungen sind auf das Krankengeld anzurechnen. Sie sind gemäß § 2 Abs. 7 des 5. VermG Bestandteil des Lohnes oder Gehaltes.
Außerdem steht das Insolvenzgeld nach § 165 SGB III (als Entgelt-Ersatz für den zahlungsunfähigen Arbeitgeber) hinsichtlich der Anrechnung dem Arbeitsentgelt gleich und führt ebenfalls zum Ruhen des Krankengeldanspruchs.
Rz. 10
Nicht zum anrechenbaren Arbeitsentgelt i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 1 gehören vor allem:
- einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das während des Bezuges von Krankengeld gezahlt wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 HS 2); unter einmalig gezahltem Arbeitsentgelt sind die dem Arbeitsentgelt zuzurechnende Zuwendungen zu verstehen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum erzielt werden (§ 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV; z. B. Weihnachts- und Ne...