Rz. 156

Wie in Rz. 153 erwähnt, verschiebt sich der Beginn des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld auf den Tag nach der letzten Arbeitsleistung, wenn die Mutter

  • kein Zeugnis bzw. keine Bescheinigung über einen voraussichtlichen Entbindungstermin vorlegen kann und
  • in den letzten 6 Wochen vor der tatsächlichen Entbindung "in Verkennung der Phase der besonderen Schutzbedürftigkeit" noch gearbeitet hat.

Nach dem GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.3.1 Abs. 6, verändert sich die Anspruchsdauer auch dann, wenn die früher als erwartet entbindende Frau wegen Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung oder Krankengeld (oder eine andere entsprechende Entgeltersatzleistung wie z. B. Übergangsgeld) bezog. Anstelle der bei Rz. 153 f. aufgeführten Arbeitsleistung tritt dann der Bezug der Entgeltersatzleistung; der Zeitraum für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes beginnt dann mit dem Tag nach Einstellung der Zahlung der Entgeltersatzleistung.

 
Praxis-Beispiel

Eine seit 8 Monaten wegen der Folgen eines Unfalls bettlägerige, arbeitsunfähig erkrankte, krankenversicherte Arbeitnehmerin soll laut Mutterpass voraussichtlich am 30.10. entbinden. Bisher hat sie sich weder um ein Zeugnis nach § 24i Abs. 3 Satz 4 noch um eine Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG bemüht. Wegen schwangerschaftsbedingter Komplikationen entbindet sie bereits am 20.8. durch Kaiserschnitt – also ca. 10 Wochen vor dem im Mutterpass angegebenen Termin.

Das Kind wiegt 1.800 Gramm (= Frühgeburt).

Krankengeld wurde von der Krankenkasse aufgrund der üblichen Zahlrhythmen zuletzt am 16.8. für die Zeit bis 12.8. gezahlt.

Lösung:

Da die Krankenkasse über kein Zeugnis bzw. keine Bescheinigung über einen voraussichtlichen Entbindungstag verfügt, kann § 24i Abs. 3 Satz 3 nicht angewandt werden. Der Zeitraum, für den Mutterschaftsgeld zu zahlen ist, wird allein vom tatsächlichen Entbindungstag (21.6.) aus berechnet. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld besteht deshalb grundsätzlich ab dem 11.7. (= 42 Tage vor dem 20.8.).

Hier greift jetzt Art. 8 Abs. 1 der EG-Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG und bestimmt, dass die Zahlung von Mutterschaftsgeld erst nach dem letzten Tag der Zahlung von Krankengeld beginnen kann. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld setzt deshalb nicht am 11.7., sondern erst am 13.8. ein. Er besteht für die volle Dauer von insgesamt 127 Tagen. Mutterschaftsgeld ist deshalb zu zahlen

  • für die Zeit vom 13.8. bis 19.8. (nur für 7 der insgesamt 42-tägigen Anspruchsdauer),
  • für den Entbindungstag (20.8.),
  • für die 12-wöchige Anspruchsdauer nach der Entbindung (84 Tage = 21.8. bis 12.11.) sowie
  • für die vor der Entbindung "nicht ausgeschöpften 42 Tage" – also für die Zeit vom 13.11. bis 17.12. (35 Tage).

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