Rz. 76

Abs. 5 stellt für die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen in anderen Staaten im Geltungsbereich des EU-Vertrages bzw. EWR-Abkommens und der Schweiz eine von Abs. 4 abweichende Sonderregelung auf und bestimmt, dass diese Leistungen nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden dürfen. Diese Regelung vollzieht die Urteile des EuGH in den Rechtssachen Smits/Peerbooms (Urteil v. 12.7.2001, C-157/99) und Müller-Fauré/van Riet (Urteil v. 13.5.2003, C-385/99) nach. Der EuGH hat in diesen Urteilen ausgeführt, dass eine Beeinträchtigung der Binnenmarktfreiheiten gerechtfertigt sein kann, wenn anderenfalls die finanzielle Stabilität der Krankenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten gefährdet sei. Dies könne – anders als im Bereich der ambulanten Versorgung – im Bereich der Krankenhausversorgung der Fall sein, da die Zahl der Krankenhäuser, ihre geografische Verteilung sowie die Art der dort angebotenen medizinischen Leistungen planbar sein müsse. Um dies zu gewährleisten, sei es eine notwendige und angemessene Maßnahme, wenn die Kostenübernahme für eine in einem anderen Mitgliedstaat gewährte Krankenhausversorgung von einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse abhängig gemacht werde. Dies gilt jedoch nur für Fälle einer planbaren Krankenhausbehandlung.

 

Rz. 77

In Fällen, in denen ein stationärer Krankenhausaufenthalt infolge einer unvorhergesehenen Erkrankung unaufschiebbar notwendig wird und der Versicherte gehindert ist, vor der Inanspruchnahme einer Krankenhausbehandlung die hierfür grundsätzlich erforderliche Zustimmung seiner Krankenkasse einzuholen, ist hingegen eine nachträgliche Genehmigung durch die Krankenkasse möglich (BSG, Urteil v. 30.6.2009, B 1 KR 22/08 R).

 

Rz. 78

Die Krankenkasse darf ihre Zustimmung nur versagen, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann (Abs. 5 Satz 2). Auch diese Regelung entspricht den Vorgaben des EuGH in den oben genannten Urteilen. In diesem Zusammenhang hat der EuGH klargestellt, dass die Krankenkassen bei der Beurteilung, ob eine ebenso wirksame Behandlung in einer Vertragseinrichtung zur Verfügung steht, sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls zu beachten haben und hierbei nicht nur den Gesundheitszustand im Zeitpunkt des Genehmigungsantrags, sondern auch die individuelle Vorgeschichte des Versicherten zu berücksichtigen haben. Bei der Frage, ob eine Behandlung im EU- bzw. EWR-Ausland dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, sind nicht nur die wissenschaftlichen Auffassungen der Mediziner im Inland maßgeblich, da dies die Gefahr herbeiführen würde, dass inländische Leistungserbringer ungerechtfertigt bevorzugt würden. Es ist daher vielmehr darauf abzustellen, was in der internationalen Medizin als hinreichend erprobt und anerkannt angesehen wird (Urteil des EuGH in der Rechtssache Smits/Peerbooms, a. a. O.; BSG, Urteil v. 13.12.2005, B 1 KR 21/04). Im Bereich der Krankenhausversorgung besteht somit ein Vorrang zugunsten vertraglich an die Krankenkasse gebundener inländischer Leistungserbringer, es sei denn, der Versicherte kann eine notwendige medizinische Behandlung im Inland nicht rechtzeitig erhalten, oder er ist während eines Aufenthaltes im EG- bzw. EWR-Ausland auf eine unverzügliche entsprechende Behandlung angewiesen (BT-Drs. 15/1525 S. 81). Ein Vorrang nicht zugelassener inländischer Krankenhäuser gegenüber ausländischen Einrichtungen besteht dagegen nicht.

 

Rz. 79

Krankenhausleistungen im Sinne von Abs. 5 sind nach § 39, auf den die Vorschrift verweist, vollstationäre, teilstationäre, vor- und nachstationäre sowie ambulante Krankenhausbehandlung. Diese Regelung wird im Hinblick auf ambulante Leistungen zum Teil als europarechtlich nicht unproblematisch angesehen (vgl. Helbig, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 13 Rz. 184, Stand 30.6.2021; Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 13 Kostenerstattung, Rz. 88a; Schifferdecker, in: KassKomm. SGB V, 117. EL Dezember 2021, § 13 Rz. 189), weil nach der Rechtsprechung des EuGH (Rechtssache Müller-Fauré/van Riet, a. a. O.) im Zusammenhang mit der zum Teil schwierigen Abgrenzung von Krankenhaus- und Nichtkrankenhausleistungen Leistungen, die in einem Krankenhaus erbracht werden, aber dort nicht zwingend zu erbringen sind, sondern sowohl in einem Krankenhaus als auch durch einen niedergelassenen Arzt in seiner Praxis erbracht werden können, Leistungen gleichgestellt werden "könnten", die außerhalb eines Krankenhauses erbracht werden und die damit nach Abs. 4 zu beurteilen wären.

 

Rz. 80

Der Umfang der Kostenerstattung nach Abs. 5 richtet sich nach Abs. 4 (vgl. Rz. 70), da Abs. 5 hierzu keine Regelung enthält, sondern sich dessen Inhalt darauf beschränkt das Zustimmungserfordernis für eine stationäre Krankenhausbehandlung im Ausland festzulegen...

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