2.2.1 Voraussetzungen für eine Rechtsverordnung nach Abs. 2
2.2.1.1 Antrag des Landesverbandes
Rz. 21
Durch einen Antrag eines Landesverbandes wird die Landesregierung verpflichtet, einzelne oder alle Ortskrankenkassen zu vereinigen (BT-Drs. 12/3608 S. 108), wenn die weiteren Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt sind. Es handelt sich dabei nicht um einen besonderen Antrag, sondern um den Antrag nach Abs. 1, wie aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/3608 S. 108) zu entnehmen ist. Insoweit kann auf Rz. 6 und 7 verwiesen werden.
Rz. 22
Auf einen solchen Antrag eines Landesverbandes hat die einzelne Ortskrankenkasse keinen Rechtsanspruch gegen den Landesverband. Der Landesverband kann auch nicht durch die (Rechts)-Aufsichtsbehörde zu einem solchen Antrag verpflichtet werden (vgl. Rz. 8).
Rz. 23
Ein Antrag eines Landesverbandes ist unzulässig, wenn in einem Land nur eine Ortskrankenkasse besteht. Bei länderübergreifenden Landesverbänden (§ 207 Abs. 3) ist der Antrag auf den Abschluss eines Staatsvertrages gerichtet und demzufolge wohl an alle beteiligten Landesregierungen zu richten.
2.2.1.2 Voraussetzungen des Abs. 1
Rz. 24
Gemäß Abs. 2 Nr. 1 besteht eine Pflicht zum Erlass einer Rechtsverordnung oder zum Abschluss eines Staatsvertrages nur dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Insoweit ist auf Rz. 11 und 12 zu verweisen. Die Voraussetzungen des Abs. 1 müssen jedoch nicht kumulativ erfüllt sein; ausreichend ist die voraussichtliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit oder ein überdurchschnittlicher Bedarfssatz einer Ortskrankenkasse (vgl. BT-Drs. 12/3608 S. 108). Diese Voraussetzungen sind mit dem Antrag darzulegen und im Streitfall zu beweisen.
2.2.1.3 Keine freiwillige Vereinigung binnen Jahresfrist
Rz. 25
Bei einem Antrag eines Landesverbandes und Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 ist weitere Voraussetzung für die Verpflichtung zur Zwangsvereinigung durch Rechtsverordnung oder Staatsvertrag, dass binnen einer Frist von 12 Monaten nach Antragstellung eine freiwillige Vereinigung nicht zustande gekommen ist. Insoweit wurde die Voraussetzung des bisherigen § 145 Abs. 1 Nr. 3 übernommen (vgl. Rz. 2), um den Selbstverwaltungen der Ortskrankenkassen Vorrang einzuräumen (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 209).
Rz. 26
Wie aus dem Wortlaut der Vorschrift hervorgeht, muss die freiwillige Vereinigung gemäß § 144 innerhalb von 12 Monaten nach Antragstellung zustande gekommen sein. Als zustande gekommen im Rahmen dieser Regelung kann es angesehen werden, wenn die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 und 2 erfüllt sind, also Beschlüsse der Vertreterversammlung über die Vereinigung, die Vorlage einer Satzung, die Vereinbarung über die Rechtsbeziehungen zu Dritten und Vorschläge zur Berufung der Mitglieder der Organe der Aufsichtsbehörde vorliegen. Die Genehmigung der Aufsichtsbehörde und deren Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem die Vereinigung wirksam wird (§ 144 Abs. 3), dürfte insoweit nicht von Bedeutung sein. Diese Maßnahmen müssten ohnehin gemäß § 146 auch nach einem Erlass einer Rechtsverordnung noch erfolgen.
Rz. 27
Freiwillige Vereinigungen hindern den Erlass und die Pflicht zum Erlass einer Rechtsverordnung jedoch nur dann und insoweit, als die Vereinigung der Zwecksetzung des Gesetzes entsprechend die Ortskrankenkassen einbezieht, die sonst durch Rechtsverordnung einzubeziehen wären. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich nach dem Antrag des Landesverbandes. Allerdings wäre hierbei zu beachten, dass die freiwillige Vereinigung seit dem 30.6.2013 für die Genehmigung der Vereinigungsbeschlüsse das Verfahren der Zusammenschlusskontrolle nach § 172a in Gang setzt, denn die Genehmigung der Vereinigung (nach § 144 Abs. 3) darf nach § 172a Abs. 2 Satz 1 erst erfolgen, wenn das Bundeskartellamt (BKartA) die Vereinigung nach § 40 GWB freigegeben hat oder sie als freigegeben gilt. Demgegenüber unterliegt eine Vereinigung durch Rechtsverordnung keiner Zusammenschlusskontrolle (vgl. Komm. zu § 172a).
2.2.1.4 Anhörung
Rz. 28
Auch bei einer Pflicht zur Zwangsvereinigung sind die betroffenen Ortskrankenkassen und ihre Landesverbände anzuhören. Keine Anhörungspflicht dürfte gegenüber dem antragstellenden Landesverband bestehen, da dieser bereits in seinem Antrag zur Sache hinreichend Stellung genommen haben dürfte. Eine Anhörungspflicht kann allenfalls dann entstehen, wenn die Landesregierung vom Antrag abweichende Vereinigungen vornehmen will. Ansonsten gilt für die Anhörung das in Rz. 9 Gesagte.
2.2.2 Pflicht zur Zwangsvereinigung
Rz. 29
Die neu eingeführte Verpflichtung der Landesregierungen, eine Zwangsvereinigung durch Rechtsverordnung oder Staatsvertrag vorzunehmen, ist sicherlich auch verfassungsrechtlich nicht unproblematisch, schränkt sie doch die durch Art. 30, 83 GG garantierte Verwaltungskompetenz der Länder ein. Auch die verwaltungsmäßige oder gerichtliche Durchsetzbarkeit ist mehr als problematisch, soweit der Erlass einer Rechtsverordnung und insbesondere der Abschluss eines Staatsvertrages Gegenstand des Antrages des Landesverbandes ist. Weder aufsichts- noch vollstreckungsrechtlich ist eine Ersatzvornahme einer Rechtsverordnung oder eines Staatsvertrages möglich. Unklar ist nach der Regelung auch, ob und inwieweit die Zwangsvereinigung ...