Rz. 36
Voraussetzung für die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen ist der Eintritt des Versicherungsfalls (Erwerbsminderung, Alters- oder Hinterbliebenenversorgung) sowie der Bezug zum früheren Erwerbsleben. Nach Abs. 1 Satz 3 unterliegen daher Kapitalabfindungen, die nach Eintritt des Versicherungsfalls an die Stelle eines laufend zu zahlenden Versorgungsbezuges treten, der Beitragspflicht.
Rz. 37
Bis zum 31.12.2003 blieben nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen (originäre Kapitalleistungen), die schon vor Eintritt des Versicherungsfalls als einmalige Leistung vereinbart wurden, beitragsfrei. Bestand für den Arbeitnehmer das Optionsrecht, wahlweise eine Rentenleistung oder eine Kapitalleistung in Anspruch nehmen zu wollen, so kam eine Anwendung des Abs. 1 Satz 3 a. F. bei Wahl der Kapitalleistung nicht in Betracht. Hier fehlte es an der Voraussetzung, dass die Kapitalleistung an die Stelle eines sonst laufend zu zahlenden Versorgungsbezuges tritt. Auch Leistungen aus einem Versicherungsvertrag, der ursprünglich auf die Zahlung einer laufenden Rente gerichtet war und vor Eintritt des Versicherungsfalls dahin geändert wurde, dass eine Kapitalleistung erbracht wird, unterlagen damit nicht der Beitragspflicht (vgl. BSG, Urteil v. 30.3.1995, 12 RK 10/94).
Rz. 38
Durch das GMG wurde diese Umgehungsmöglichkeit der Beitragspflicht ausgeräumt. Seit dem 1.1.2004 sind also auch solche nicht regelmäßigen Leistungen beitragspflichtig, die vor Eintritt des Versicherungsfalls als nicht regelmäßige wiederkehrende Leistungen vereinbart oder zugesagt worden sind. Die Beitragspflicht besteht daher sowohl in den Fällen, in denen aufgrund vertraglicher Optionsrechte ein Wahlrecht hinsichtlich der Form der Leistung besteht, als auch dann, wenn schon nach der Art des Versorgungsbezuges nur und ursprünglich eine einmalige Zahlung vorgesehen war; was insbesondere bei betrieblicher Altersversorgung in Form der Direktversicherung (§ 1b Abs. 2 BetrAVG) der Fall ist. Die Beitragspflicht gilt für alle, auch laufenden Verträge, in denen der Versorgungsfall (Versicherungsfall) nach dem 31.12.2003 eintritt. Die bisher maßgebliche Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 30.3.1995, 12 RK 10/94) ist damit obsolet. Das Bundessozialgericht hat diese Änderung mehrfach bestätigt und für nicht verfassungswidrig erklärt, vgl. BSG, Urteile v. 13.9.2006, B 12 KR 1/06 R, B 12 KR 5/06 R, B 12 KR 17/06 R; BSG, Urteil v. 25.4.2007, B 12 KR 25/05 R, und B 12 KR 26/05 R; BSG, Urteile v. 12.12.2007, B 12 KR 2/07 R, B 12 KR 6/06 R; BSG, Urteil v. 17.3.2010, B 12 KR 5/09 R; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 19/10 R).
Rz. 39
Tritt eine nicht regelmäßige wiederkehrende Leistung nach Eintritt des Versicherungsfalls an die Stelle eines sonst laufend zu zahlenden Versorgungsbezuges, unterliegen diese Kapitalabfindungen nach Abs. 1 Satz 3 ebenfalls der Beitragspflicht.
Rz. 40
Die Versorgungsbezüge nach Abs. 1 Satz 3 werden mit einem Betrag von 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag über einen Zeitraum von längstens 120 Monaten (10 Jahre) berücksichtigt. Ob der Gesetzgeber hier auf Monate oder Kalendermonate abstellt, geht aus der Gesetzesformulierung nicht hervor. Die Spitzenverbände der Krankenkassen vertreten hierzu in den Grundsätzlichen Hinweisen zu den versicherungs-, beitrags- und melderechtlichen Regelungen für Versorgungsbezüge, Arbeitseinkommen und gesetzliche Rente aus dem Ausland bei Versicherungspflichtigen v. 26.9.2016 unter Tit. A II 1.8.1 Abs. 2 (Tit. A VIII.3.1.3.8.1 und 3.1.3.8.2) aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Auffassung, dass der 120-Monats-Zeitraum mit dem 1. des auf die Auszahlung der Kapitalabfindung bzw. Kapitalleistung folgenden Kalendermonats beginnt. Werden die Versorgungsbezüge für einen kürzeren Zeitraum geleistet und anschließend laufend gezahlt, findet eine Verteilung auf den entsprechend kürzeren Zeitraum statt. Die Beitragsentrichtung unterbleibt, wenn der monatliche Betrag den nach § 226 Abs. 2 geltenden Mindestbetrag nicht übersteigt.
Rz. 41
Bezieht ein versicherungspflichtig Beschäftigter neben dem Arbeitsentgelt Versorgungsbezüge (z. B. aus einem Direktversicherungsvertrag wegen Erreichens einer bestimmten Altersgrenze) i. S. d. Abs. 1 Satz 3, ist § 230 entsprechend anzuwenden. Der 120-Monats-Zeitraum beginnt dann mit dem 1. des auf die Auszahlung der Leistung folgenden Kalendermonats unabhängig davon, ob tatsächlich Beiträge aus den Versorgungsbezügen zu entrichten sind.
Rz. 42
Eine Witwenabfindung gehört nicht zu den Versorgungsbezügen i. S. d. Abs. 1 Satz 3. Mit der Witwenabfindung wird keine bereits geschuldete Leistung durch eine Kapitalleistung ersetzt; vielmehr werden mit ihr fiskalische Zwecke verfolgt. Ihr primäres – familienpolitisches – Ziel liegt darin, die Witwe zur Eingehung einer neuen Ehe zu veranlassen (vgl. BSG, Urteil v. 22.5.2003, B 12 KR 12/02 R, USK 2003-6).
Rz. 43
Die Beitragspflicht der einmaligen Kapitalleistungen seit dem 1.1.2004 stellt für die Bezieher von Versorgungsbezügen eine Beitrags...