Rz. 12a
Die Trunksucht hat das BSG unter den schon erörterten Voraussetzungen auch, wenn ärztliche Behandlung nur vor Verschlimmerung bewahrt und organische Schäden noch nicht eingetreten sind, als Krankheit anerkannt (vgl. u. a. BSGE 28, 114; Urteil v. 15.2.1978, 3 RK 29/77). Zur Suchtnachsorge ist auf die Handlungsempfehlung der Deutschen Rentenversicherung (DRV), der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) für die Verbesserung des Zugangs nach qualifiziertem Entzug in die medizinische Rehabilitation Alkoholabhängiger v. 1.8.2017 hinzuweisen (https://www.vdek.com/vertragspartner/vorsorge-rehabilitation/abhaengigkeit/_jcr_content/par/download_16/file.res/2017_HE_Nahtlosverfahren_2017-08-01_final.pdf).
Rz. 13
Drogenabhängigkeit ist als Zustand psychischer oder physischer Abhängigkeit von gesundheitsschädigenden Einflüssen, der aus eigener Kraft nicht überwunden werden kann, in der Regel als Krankheit anzusehen; es gilt Ähnliches wie für die Trunksucht (BSGE 28, 114, 115 f.; Urteil v. 27.11.1980, 8a/3 RK 60/78; BSG, Urteil v. 5.7.1995,1 RK 6/95).
Rz. 14
Drogensubstitution auf Kosten der Krankenkasse ist als Krankenbehandlung nach dem Beschluss des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen v. 2.7.1991 für die Methadon-Substitutionsbehandlung anerkannt. Einzelheiten zur "substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger" enthält die Anlage I Nr. 2 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des GBA, abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3029/MVV-RL-2022-10-20-iK-2023-01-14.pdf.
Rz. 15
Die Neurose ist eine Krankheit, wenn sie vom Willen des Betroffenen nicht zu beheben und deshalb behandlungsbedürftig ist oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vgl. u. a. BSGE 21, 189; BSG, SozR [alte Sammlung] Nr. 38 zu § 1246 RVO, MDR 1964, 709; BSG, SozR [alte Sammlung] Nr. 39 zu § 1248 RVO = MDR 1964, 960).
Rz. 16
Weiter gehören Sprachstörungen, die nur durch ärztlich überwachte Fachkräfte behoben werden können (Psychologen, Logopäden, Psychagogen), zu den Krankheiten im Sinne der Krankenversicherung (vgl. Urteil v. 28.2.1980, 8a RK 13/79).
Rz. 17
Dagegen ist die Legasthenie, die Schwäche des Erlernens von Lesen und Rechtschreiben bei im Übrigen hinreichender Intelligenz und sonst regelrechtem Befund, keine Krankheit (vgl. BSG, Urteil v. 10.7.1979, 3 RK 21/78; BSG, Urteil v. 25.7.1979, 3 RK 45/78).
Rz. 18
Eine Geschlechtsumwandlung ist dann von der Krankenkasse zu tragen, wenn dadurch ein psychischer Leidenszustand beseitigt oder gemildert wird (vgl. BSG, Urteil v. 6.8.1987, 3 RK 15/86). Das BSG hat jedoch in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperliche Eingriffe verneint, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl. u. a. BSG, Urteil v. 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R; Urteil v. 11.9.2012, B 1 KR 9/12 R m. w. N.). Eine Ausnahme hiervon kommt nur im Fall einer besonders tief greifenden Form der Transsexualität in Betracht, da auch der Gesetzgeber durch die Schaffung des Transsexuellengesetzes bestätigt hat, dass der Befund der Transsexualität eine außergewöhnliche Bewertung rechtfertigt (BSG, Urteil v. 28.9.2010, B 1 KR 5/10 R; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 11.1.2011, 1 BVR 3295/07, zur Unvereinbarkeit von § 8 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 TSG mit Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zur bis dahin bestehenden gesetzlichen Voraussetzung einer dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit sowie der Verpflichtung zu einem die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden war). Allerdings sind die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (BSG, Urteil v. 28.9.2010, B 1 KR 5/10 R; Urteil v. 11.9.2012, B 1 KR 9/12 R, sowie B 1 KR 3/12 R – brustvergrößernde Operation bei Transsexualität).
Rz. 19
Aids ist eine Krankheit, wenn die Immunschwäche schon in den akuten Krankheitszustand eingetreten ist. Ab 1.9.2019 haben allerdings gesetzlich Versicherte mit einem substantiellen HIV-Infektionsrisiko, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, nach Maßgabe des durch das TSVG eingeführten § 20j (vgl. die Komm. dort) Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der medikamentösen Präexpositionsprophylaxe zur Verhütung einer Ansteckung mit HIV sowie Untersuchungen, die bei Anwendung der für die medikamentöse Präexpositionsprophylaxe zugelassen Arzneimittel erforderlich sind.
Rz. 20
Schwangerschaft ist keine Krankheit und damit auch ihre Verhütung grundsätzlich nicht der Leistungspflicht der Kassen zuzuordnen. Ein Ausnahmefall ist bei medizinischer Indikation gegeben, wenn es erforderlich ist, von der versicherten F...