Rz. 7c
Die durch das AMVSG (vgl. Rz. 3g) nach Abs. 1 Satz 2 eingefügten neuen Sätze 3 und 4 geben dem Gemeinsamen Bundesausschuss vor, in Zukunft bei der Bildung von Festbetragsgruppen von Arzneimitteln mit Wirkstoffen zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten auf Antibiotika die Resistenzsituation zu berücksichtigen. Arzneimittel, die als Reserveantibiotika für die Versorgung von Bedeutung sind, können von der Festbetragsgruppenbildung ausgenommen werden. Ferner kann eine Berücksichtigung durch die Bildung getrennter Festbetragsgruppen erfolgen. Der Gesetzgeber zieht damit die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass Krankheitserreger, die gegen Antibiotika resistent sind (MRSA, VRE, MR-GNE, vgl. Veröffentlichung auf der Homepage im Internet des Robert-Koch-Istituts unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/Antibiotikaresistenz.html), vermehrt auftreten und sich weiter ausbreiten. Antibiotikaresistenzen werden damit mehr und mehr zu einer Herausforderung bei der Versorgung der Versicherten. Durch die Neuregelung soll verhindert werden, dass sich pharmazeutische Unternehmer aus der Produktion von bewährten Antibiotika zurückziehen und sich dadurch die Therapiemöglichkeiten verringern.
Rz. 8
Ausgenommen von der Gruppenbildung sind gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 HS 2 a. F., nach Inkraftreten des AMVSG nun § 35 Abs. 1 Satz 6, Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten. Als neuartig gilt nach Abs. 1 Satz 4 der Wirkstoff, der als Erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, solange er unter Patentschutz steht. Die Änderung von Abs. 1 Satz 3 HS 2 durch das AVWG (Rz. 3a) hatte klargestellt, dass eine therapeutische Verbesserung eines Wirkstoffs auch in den Fällen zur Freistellung von der Festbetragsgruppe führt, in denen der Patentschutz für den ersten Wirkstoff dieser Gruppe nicht mehr besteht. Dies bedeutete keine Änderung des geltenden Verfahrens, da der Gemeinsame Bundesausschuss bereits zuvor entsprechend verfahren war. Für die Bildung der Festbetragsgruppen ist grundsätzlich auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen. Die Regelung stellt insoweit eine Ausnahmeregelung für patentgeschützte Arzneimittel dar. Für diese ist zum Nachweis der therapeutischen Verbesserung ein über die arzneimittelrechtliche Zulassung hinausgehender Überprüfungsmaßstab geboten, der z. B. auch durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin erbracht werden kann, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 1.3.2011, B 1 KR 10/10 R, Rz. 44).
Rz. 8a
Abs. 1 Satz 6 bis 8a. F., nach Inkrafttreten des AMVSG nun Abs. 1 Satz 8 bis 10, sind durch das AVWG angefügt worden. Sie betreffen das Verfahren der Festbetragsfestsetzung. Die Umsetzung der Festbetragsregelung soll durch den Einsatz von hauptamtlichen Mitarbeitern der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Vorbereitung der Beschlüsse über die Festbetragsgruppen beschleunigt werden. Für die Vorbereitung der Beschlüsse gilt § 106 Abs. 3 Satz 1 entsprechend. §§ 16 bis 29 der VerfO des Gemeinsamen Bundesausschusses konkretisieren insoweit die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 2 bis 8, an die die Geschäftsstelle gebunden ist. Zu diesem Zweck kann der Gemeinsame Bundesausschuss auch Dritte, z. B. die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (BT-Drs. 16/691 S. 15), beteiligen. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist nicht verpflichtet, die Beschlüsse selbst vorzubereiten und hierfür zusätzliches Personal einzustellen. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Verantwortung vollständig beim Gemeinsamen Bundesausschuss bleibt. Satz 10 soll gewährleisten, dass die Anonymität der beauftragten Gutachter gewahrt bleibt, um deren Unabhängigkeit zu sichern und interessenbedingten Einflussnahmen auf Gutachter vorzubeugen.