Rz. 14
Sicherungspflege (häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege) nach Abs. 2 setzt nicht voraus, dass Krankenhauspflege geboten ist bzw. vermieden werden kann, wie dies Abs. 1 voraussetzt. Der Begriff der Erforderlichkeit in Abs. 2 ist aus dem systematischen Verständnis der Norm im Sinn einer in hohem Grad bestehenden Zweckmäßigkeit zu interpretieren (BSG, Urteil v. 20.4.1988, 3/8 RK 16/88, Rz. 12 ff.). Die Sicherungspflege als notwendige Heilpflegemaßnahme muss zweckmäßig zur Unterstützung der ärztlichen Behandlung sein (Wagner, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 37 Rz. 15). Entscheidend ist allein, ob häusliche Krankenpflege an sich notwendig ist, um in Verbindung mit im Übrigen ambulanter ärztlicher Behandlung die Heilung, Besserung oder Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung der Krankheit zu sichern. Zur Behandlungssicherungspflege i. S. d. Abs. 2 zählen alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (vgl. BSG, Urteil v. 30.10.2001, B 3 KR 27/01 R – künstliche Beatmung; BSG, Urteil v. 19.2.1998, B 3 P 3/97 R – Insulininjektionen, bestätigt im Urteil v. 28.9.2017, B 3 P 3/16 R). Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ist nicht räumlich auf den Haushalt des Versicherten oder den seiner Familie begrenzt und schließt medizinisch erforderliche Maßnahmen, die bei vorübergehenden Aufenthalten außerhalb der Familienwohnung anfallen, dann nicht aus, wenn sich der Versicherte ansonsten ständig in seinem Haushalt bzw. in seiner Familie aufhält und dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Deshalb hat das BSG den Anspruch eines minderjährigen Diabetikers bejaht, dem während des täglichen Schulbesuchs regelmäßige und zeitgenaue Insulininjektionen verabreicht werden müssen, die von den Eltern wegen ganztägiger Berufstätigkeit nicht sichergestellt werden können (BSG, Urteil v. 21.11.2002, B 3 KR 13/02 R).
Rz. 14a
Behandlungssicherungspflege nach Abs. 2 Satz 1 begründet grundsätzlich lediglich einen Rechtsanspruch auf diese Pflege, d. h. auf diejenigen medizinischen Hilfsleistungen, die nicht vom behandelnden Arzt selbst erbracht werden, wie Injektionen, Verbandswechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Hautpflege u.Ä. (zur Abgrenzung von der Haushaltshilfe vgl. die Komm. zu § 38). Darüber hinaus können die Krankenkassen nach Abs. 2 Satz 4 in Satzungen bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Dabei kann die Satzung Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen (Satz 5). Allerdings sind gemäß Satz 6 diese Leistungen nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 nach dem SGB XI nicht mehr zulässig.
Rz. 15
Offen gelassen hat das BSG bislang die Frage, ob Maßnahmen von § 37 Abs. 2 erfasst werden, für die sich der Versicherte gerade zum Zweck der Behandlung außer Haus begeben muss. Für ein erweitertes Verständnis des Begriffs der häuslichen Krankenpflege und damit für eine Leistungspflicht der Krankenkasse spricht, dass es dem Gesetzgeber vor allem um die Unterscheidung zur stationären Versorgung, in der die fraglichen Pflegemaßnahmen enthalten seien, ging, sodass es insoweit einer Leistungspflicht der Krankenkasse nicht bedürfe (vgl. BT-Drs. 11/7343 S. 1 zu § 37 SGB V; vgl. BSG, Urteil v. 20.5.2003, B 1 KR 23/01 R – Hilfe beim An- und Auskleiden, um ärztlich verordnete Massagen und Bäder durchführen zu können). Allerdings muss die benötigte Assistenz dem Begriff der Behandlungspflege zuzuordnen sein. Es reicht nicht aus, dass die Hilfeleistung wegen einer Behandlungsmaßnahme notwendig ist. Sie muss vielmehr selbst Teil der Behandlung sein, wie dies beim An- und Ausziehen von Stützstrümpfen oder beim ärztlich verordneten Spaziergang der Fall ist.