2.1 Ansprüche nach § 43 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 64 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB IX
Rz. 6
Grundvoraussetzung aller Ansprüche aus § 43 Abs. 1 Satz 1, die sich nach dem SGB IX richten, ist die Erfüllung der Voraussetzungen in § 11 Abs. 2, d. h. die Leistung muss erforderlich sein, um Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Auf die Leistung besteht ein Rechtsanspruch, wenn sie individuell im Einzelfall geeignet, notwendig und erforderlich ist (allg. Ansicht, BSG, Urteil v. 2.11.2010, B 1 KR 8/10 R, Rz. 22; Schnitzler, in: BeckOK SozR, SGB V, § 43 Rz. 8). Die maßgeblichen Normen geben keine Grundlage für eine Vermutung oder Fiktion, dass bei Vorliegen eines GdB von 20 (oder mehr) Rehabilitationssport in Gruppen als ergänzende Rehabilitationsleistung notwendig ist. Eine derartige generalisierende Betrachtungsweise widerspricht nicht nur dem Wortlaut der Normen, sondern vor allem dem in §§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 1 und 27 Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Regelungssystem des SGB V (BSG, Beschluss v. 9.5.2018, B 1 KR 55/17 B, Rz. 7). Darüber hinaus besteht die Leistungspflicht nur dann, wenn zuletzt die Krankenkasse Krankenbehandlung geleistet hat oder noch leistet (Akzessorietät des Anspruchs, BSG, Urteil v. 17.6.2008, B 1 KR 31/07 R). Alle Leistungen bedürfen gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 5 bis 7 der vertragsärztlichen Verordnung.
2.1.1 Beiträge und Beitragszuschüsse – § 64 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX
Rz. 6a
Inhalt und Umfang etwaiger Beiträge und Beitragszuschüsse für Pflichtversicherte der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmen sich nach den beitragsrechtlichen Normen in den jeweiligen Versicherungszweigen (z. B. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III i. V. m. § 347 Nr. 1 und 5 SGB III oder § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII).
Sofern keine Pflichtmitgliedschaft besteht, können Beiträge nach § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB IX als Ermessensleistung übernommen werden.
2.1.2 Rehabilitationssport und Funktionstraining – § 64 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX
Rz. 7
§ 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX trifft nunmehr Regelungen für ärztlich verordneten Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung, einschließlich Übungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, die der Stärkung des Selbstbewusstseins dienen. Diese Regelung gewährt gegenüber der aufgehobenen Nr. 1 einen Rechtsanspruch auf die Leistung, die Krankenkasse muss den Rehabilitationssport nicht mehr nur "fördern". Voraussetzung ist allerdings eine ärztliche Verordnung. Aus dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 ("zu erbringen … sind") folgt, dass ein Rechtsanspruch auf die ergänzende Leistung "Rehabilitationssport in Gruppen" besteht, wenn die in der Regelung genannten Voraussetzungen vorliegen. Die Verweisung des § 43 Abs. 1 auf die darin angesprochenen Regelungen des SGB IX über die Erbringung ergänzender Leistungen zur Rehabilitation bewirkt, dass diese Regelungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Anwendung finden, weil das SGB V für den in § 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX geregelten Rehabilitationssport nichts Abweichendes i. S. v. § 11 Abs. 2 Satz 3 und § 7 SGB IX regelt (BSG, Urteil v. 2.10.2010, B 1 KR 8/10 R, Rz. 13 f.; vgl. bereits BSG, Urteil v. 17.6.2008, B 1 KR 31/07 R, Rz. 20 m. w. N. in Bezug auf die parallele Situation beim Funktionstraining). Bei Fahrten eines Versicherten zum Rehabilitationssport geht es allerdings weder nach dem Gesetz noch bei ergänzender Heranziehung der "besonderen Ausnahmefälle", die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Krankentransport-RL geregelt hat, um Kosten für Fahrten "zu einer ambulanten Behandlung" (BSG, Urteil v. 22.4.2009, B 3 KR 5/08 R).
Rz. 7a
Einzelheiten zum ärztlich verordneten Rehabilitationssport waren zunächst in der "Rahmenvereinbarung Rehabilitationssport und Funktionstraining vom 1. Oktober 2003 in der Fassung vom 1. Januar 2007" geregelt worden. Ab 1.1.2011 galt die neue Rahmenvereinbarung, die die gesetzlichen Krankenkassen, die gesetzlichen Unfallversicherungsträger, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte sowie die Träger der Kriegsopferversorgung und verschiedene Verbände u. a. aus dem Bereich des Behindertensports geschlossen haben (Veröffentlicht auf der Homepage des Verbandes der Ersatzkassen e. V. im Internet unter https://www.vdek.com/vertragspartner/vorsorge-rehabilitation/Reha-Sport/_jcr_content/par/download/file.res/bar_rvrehasport_ft_2011.pdf).
Zum 1.1.2022 ist die neue Rahmenvereinbarung Rehabilitationssport und Funktionstraining in Kraft getreten (veröffentlicht unter https://www.vdek.com/vertragspartner/vorsorge-rehabilitation/Reha-Sport/_jcr_content/par/download/file.res/2022_01_01_Rahmenvereinbarung_RS%20und_FT.pdf). Darin wird wie zuvor u. a. festgelegt, dass die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versicherung der Landwirte Rehabilitationssport und Funktionstraining im Anschluss an eine von ihnen erbrachte Leistung zur medizinischen Rehabilitation erbringen, wenn bereits während dieser Leistung die Notwendigkeit der Durchführung von Rehabilitationssport und Funktionstraining festgestellt worden ist und der Rehabilitationssport/das Funktionstraining innerhalb von ...