Rz. 8
I.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 1 muss die Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege des erkrankten Kindes zwingend zu Zeiten erforderlich sein, in denen der erwerbstätige Versicherte der Arbeit nachzugehen hätte. Beschränkt sich die Notwendigkeit der Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege des Kindes etc. auf Zeiten, in denen der Versicherte nicht der Arbeit nachgegangen wäre (arbeitsfreies Wochenende, Freistellungsphasen etc.), besteht kein Anspruch auf Kinderkrankengeld.
Die Voraussetzung "Fernbleiben von der Arbeit" ist auch dann erfüllt, wenn der Versicherte seine Tätigkeit zu Hause ausgeübt hätte (z. B. Home-Office) und deshalb an der Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege des erkrankten Kindes gehindert ist. Gleiches gilt für Elterngeldbezieher, die in Teilzeit arbeiten und wegen der Erkrankung des Kindes mit der Arbeit aussetzen (beides: Fragen und Antworten des BMG zu Kinderkrankentagen und Kinderkrankengeld: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/faq-kinderkrankengeld).
Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 haben Versicherte, die Kinderkrankengeld beanspruchen können, gegen ihren Arbeitgeber für die Dauer dieses Anspruchs auf Kinderkrankengeld Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung. Nach Abs. 3 Satz 3 kann dieser Freistellungsanspruch durch den Arbeitgeber weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Der arbeitsrechtliche, unbezahlte Freistellungsanspruch besteht wegen § 45 Abs. 5 ausdrücklich auch dann, wenn Arbeitnehmer nicht mit Anspruch Krankengeld krankenversichert sind. Elternteile in einer geringfügigen Beschäftigung haben zwar auch einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit, allerdings fehlt es i. d. R. an einem mit einem Anspruch auf Krankengeld ausgestatteten Versicherungsverhältnis.
Bezüglich der Frage, ob der Arbeitgeber für die Freistellung Arbeitsentgelt fortzuzahlen hat, wird auf Rz. 73 ff. verwiesen.
Rz. 9
Die Erforderlichkeit des Fernbleibens wird üblicherweise durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen. Hierzu wird i. d. R. der im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung verwendete Vordruck "Muster 21" (https://www.kbv.de/html/formulare.php) verwendet. Auf der Rückseite des Vordrucks hat der Versicherte zu unterschreiben, dass er wegen der erforderlichen Betreuung usw. des Kindes tatsächlich der Arbeit ferngeblieben ist.
Die im Jahr 2023 eingeführte elektronische Krankmeldung bei Arbeitsunfähigkeit (eAU) betrifft nicht die Bescheinigung für Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes. Diese Bescheinigung erhalten Eltern für ihre erkrankten Kinder weiterhin in der Arztpraxis in Papierform.
Für die Zeit vom 1.1.2021 bis 7.4.2023 konnten Eltern der Arbeit fernbleiben und in diesem Zusammenhang Kinderkrankengeld beanspruchen, wenn pandemiebedingt Kinderbetreuungseinrichtungen (Kindertageseinrichtung, Hort, Kindertagespflegestelle), Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen geschlossen wurden oder ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde (vgl. Rz. 27 ff.). Als Nachweis sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Krankenkasse diente hier die Musterbescheinigung "Nachweis über Nicht-Inanspruchnahme von Kita/Kindertagespflege/Schule bei Beantragung von Kinderkrankengeld"; Einzelheiten hierzu ergeben sich aus der Komm. zu Rz. 36.
Seit dem 1.1.2024 zahlen die Krankenkassen gemäß § 45 Abs. 1a auch dann Kinderkrankengeld, wenn der Elternteil als Begleitperson bei der stationären Behandlung notwendig mit aufgenommen werden muss (vgl. Rz. 80). Die medizinischen Gründe sowie die Dauer der Mitaufnahme sind von der stationären Einrichtung gegenüber dem begleitenden Elternteil zu bescheinigen. Bis zur Vollendung des 9. Lebensjahres ist vom Vorliegen der medizinischen Gründe für die Mitaufnahme eines Elternteils auszugehen; in diesen Fällen ist damit nur die Dauer der notwendigen Mitaufnahme zu bescheinigen (Abs. 1a Satz 2 HS 2). Gemäß § 45 Abs. 5 (in der ab 1.1.2024 geltenden Fassung) begründet die medizinisch notwendige Mitaufnahme ebenfalls einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber.
Rz. 10
Nachstehend folgen einige Informationen zu der Frage, ob ein Versicherter bei bestimmten Konstellationen der Arbeit i. S. d. § 45 Abs. 1
- wegen der Erkrankung/Betreuung des Kindes/stationären Mitaufnahme oder
- aus einem anderen Grund
fernbleibt:
Ist es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich, dass ein Arbeitnehmer während eines bereits bewilligten Erholungsurlaubes sein erkranktes Kind zu Hause etc. betreuen muss, ist der Erholungsurlaub vorrangig vor dem Anspruch auf Kinderkrankengeld. Das Risiko einer "Störung" des Erholungsurlaubes trägt der Arbeitnehmer; § 9 BUrlG, nach denen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden, ist hierbei nicht entsprechend anzuwenden (ArbG Berlin, Urteil v. 17.6.2010, 2 Ca 1648/10).
Da es nicht Zweck des § 45 ist, den Arbeitnehmer vor Vergütungseinbußen wegen der Pflege eines erkrankten Kindes zu schützen, kommt in diesem Falle auch kein Schadensersatzanspruch auf Nachgewährung ...