Rz. 58
Durch den Eingang des Befreiungsantrags wird ein förmliches Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) in Gang gesetzt, das mit einem Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) abzuschließen ist. Die Krankenkasse hat in diesem Verfahren von Amts wegen (§ 20 SGB X) die besonderen Voraussetzungen der Befreiungsrechte nach Nr. 1a, 2, 2a, 3 zu prüfen. Die Krankenkasse ist dabei darauf angewiesen, dass der Antragsteller die erforderlichen Auskünfte (z. B. frühere Krankenkassen, Arbeitgeber, Befreiungsbescheide) gibt. Der Antragsteller trägt, da die Befreiung eine Ausnahme von der Versicherungspflicht darstellt, die Nachweislast (Beweislast) für die Befreiungsvoraussetzungen.
Rz. 59
Das Verwaltungsverfahren bis zur Befreiungsentscheidung kann daher, auch wegen der nunmehr fehlenden klaren gesetzlichen Zuständigkeiten für die Entscheidung, längere Zeit andauern. Die Dauer des Verwaltungsverfahrens ist jedoch für die Frage des Befreiungsrechts nicht von Bedeutung. Der Befreiungsbescheid selbst muss nicht 3 Monate nach Beginn der Versicherungspflicht erlassen werden.
Rz. 60
Ist der Befreiungsantrag bereits verfristet oder liegen die Befreiungsvoraussetzungen nicht vor, hat die Krankenkasse, ohne dass ihr insoweit ein Entscheidungsspielraum zustände, den Antrag auf Befreiung abzulehnen und ggf. das Bestehen von Krankenversicherungspflicht insbesondere auch gegenüber dem zur Meldung und Beitragszahlung verpflichteten Arbeitgeber ausdrücklich festzustellen und eine Mitgliedsbescheinigung zu übersenden (§ 175 Abs. 2 Satz 3).
Rz. 61
Lehnt die Krankenkasse die Befreiung ab, besteht die Möglichkeit des Widerspruchs und folgend die Möglichkeit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit der Behauptung des bestehenden Rechtsanspruchs auf Befreiung und auf Erlass eines Befreiungsbescheides. Auch in diesem Klageverfahren trägt der Antragsteller als Kläger die Nachweislast für die Befreiungsvoraussetzungen.
Rz. 62
Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, hat die Krankenkasse die Befreiung als gebundene Entscheidung auszusprechen. Einer Begründung bedarf dieser Bescheid nicht (§ 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X). Der Befreiungsbescheid wirkt nicht nur zwischen Krankenkasse und Antragsteller, sondern hat darüber hinaus auch für andere Krankenkassen und gegenüber Dritten (z. B. Arbeitgeber für den Beitragszuschuss) als rechtsgestaltende Entscheidung Verbindlichkeit. Im Streit zwischen Arbeitnehmer und Krankenversicherung über dessen Antrag auf Befreiung von der Krankenversicherungspflicht ist der Arbeitgeber daher auch notwendig beizuladen gemäß § 75 Abs. 2 SGG. Demgegenüber soll ein Arbeitgeber bei der Rücknahme einer Befreiungsentscheidung nach § 8 Abs. 1 nicht in eigenen Rechten verletzt sein und insoweit keine materielle Beschwer für ihn bestehen, da allein subjektive Rechte des versicherten Arbeitnehmers betroffen seien. Bloße aus der Rücknahmeentscheidung resultierende, mit Kosten verbundene Folgewirkungen (i. S. eines Reflexes) würden in derartigen Fällen für die Annahme einer materiellen Beschwer nicht ausreichen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.9.2022, L 4 KR 3763/20).