Rz. 81
Spätaussiedlern und ihren als leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 2 BVFG anerkannten Ehegatten bzw. Abkömmlingen steht jeweils eigenständig ein zweimaliges Beitrittsrecht zu, ohne dass dafür Vorversicherungszeiten im Inland erforderlich wären. Einerseits besteht dies nach ständiger Aufenthaltnahme im Inland, was dem ständigen Aufenthalt nach § 30 SGB I entspricht (vgl. Komm. dort), und andererseits im Anschluss an das Ende der Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Alg II/Bürgergeld. Die jeweiligen Beitrittsrechte bestehen nebeneinander und auch nacheinander, sodass auch bei einem unterlassenen Beitritt aufgrund der Aufenthaltnahme nach dem Ende des Bezuges von Alg II/Bürgergeld noch der Beitritt erklärt werden kann.
Rz. 82
Für die jeweiligen Beitrittsrechte bestehen unterschiedliche Beitrittsfristen, die in Abs. 1 Nr. 7 selbst geregelt sind. Das Beitrittsrecht aufgrund der Aufenthaltnahme im Inland ist innerhalb von 6 Monaten auszuüben. Diese Frist beginnt im Regelfall mit dem Tag der Einreise, denn nach §§ 26, 27 BVFG setzt die Einreise ins Inland voraus, dass diese zum Zwecke der ständigen Wohnsitznahme erfolgt. Wegen der Krankenversicherungsleistungen nach § 11 BVFG kann die Beitrittsfrist von 6 Monaten nach der ständigen Aufenthaltnahme im Inland im Regelfall voll ausgenutzt werden, bevor eine beitragspflichtige freiwillige Mitgliedschaft begründet wird.
Rz. 83
Die Beitrittsfrist nach Ende des Bezuges von Alg II/Bürgergeld beträgt 3 Monate und ist damit den Fristen des Abs. 2 angepasst. Die Frist beginnt mit dem Folgetag nach dem Ende des tatsächlichen oder bewilligten Bezuges von Alg II/Bürgergeld (vgl. dazu Komm. zu § 190). Anders als das Beitrittsrecht im Anschluss an eine Krankenversicherungspflicht, wie sie mit dem Bezug von Alg II/Bürgergeld im Regelfall verbunden ist (vgl. Komm. zu § 5), ist hier abweichend von den Voraussetzungen nach Nr. 1 für andere Personen eine Vorversicherungszeit für Spätaussiedler und deren als leistungsberechtigt anerkannten Ehegatten bzw. Abkömmlinge nicht erforderlich, sodass es auf die Dauer des Bezuges von Alg II/Bürgergeld nicht ankommt. Bei entsprechend langer Bezugsdauer von Alg II/Bürgergeld und Krankenversicherungspflicht kann jedoch auch das Beitrittsrecht nach Abs. 1 Nr. 1 entstehen.
Rz. 84
Das Beitrittsrecht nach Nr. 7 setzte nicht voraus, dass zuvor wegen des Bezuges von Alg II/Bürgergeld Krankenversicherungspflicht bestanden hatte. Damit wurde berücksichtigt, dass der Bezug von Alg II/Bügergeld für (einen) Ehegatten und die Kinder dann keine Krankenversicherungspflicht auslöst, wenn für diese eine Familienversicherung bestand (Nachrangigkeit der Pflichtversicherung; noch bis 31.12.2014, vgl. Komm. zu § 5 Abs. 1 Nr. 2a). Das Beitrittsrecht ermöglicht eine freiwillige Mitgliedschaft daher auch dann, wenn das Alg II/Bürgergeld für den Familienversicherten eingestellt wird, dies insbesondere, wenn Einkommen erzielt wird, das auch die Familienversicherung ausschließt. Die Beitrittsvoraussetzungen nach dem Ende der Familienversicherung (Abs. 1 Nr. 2) müssen in diesen Fällen nicht erfüllt werden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der bisher Familienversicherte entweder selbst als Spätaussiedler oder aber als leistungsberechtigt anerkannter Ehegatte bzw. Abkömmling anerkannt ist.
Rz. 85
Die Beitrittserklärung ist nach der allgemeinen Regelung des § 188 Abs. 3 schriftlich abzugeben und diese schriftliche Erklärung muss der Krankenkasse innerhalb der Beitrittsfristen zugehen.
Rz. 86
Der Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft richtet sich nach § 188 Abs. 1, also dem Tag des Beitritts, wobei dafür der Tag maßgebend ist, an dem die schriftliche Beitrittserklärung der gewählten Krankenkasse zugeht (vgl. Komm. zu § 188), soweit es das Beitrittsrecht aufgrund der ständigen Aufenthaltnahme betrifft. Auch wenn das Beitrittsrecht nach dem Bezug von Alg II/Bürgergeld und der deswegen bestehenden Krankenversicherungspflicht ausgeübt wurde, war der Zugang der Beitrittserklärung maßgebend, denn der gesetzlich angeordnete rückwirkende Mitgliedschaftsbeginn gemäß § 188 Abs. 2 Satz 1 war und ist nach dem Wortlaut der Regelung nur für die Fälle der Beitrittserklärung nach Abs. 1 Nr. 1 oder 2 vorgesehen. Vor dem Hintergrund der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 ist in den Fällen des Bezuges von Alg II/Bürgergeld weder die Abgabe einer Beitrittserklärung noch die Einhaltung der Beitrittsfrist erforderlich; vielmehr setzt sich die vorherige Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes als freiwillige Mitgliedschaft fort, sofern nicht wirksam der Austritt erklärt wird (vgl. Komm. zu § 188).