0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 1 trat durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I. S. 1014) zum 1.1.1995 in Kraft, Abs. 1 bis 4 sowie 5 wurden bisher nicht verändert. Abs. 6 Satz 3 wurde durch Art. 3 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) zum 1.8.2001 geändert. Abs. 4a wurde durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz v. 28.5.2008 (BGBl. I S. 874) eingefügt. Das Zweite Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2424) hob Abs. 5 auf, da die Regelung einen Zeitraum betraf, der ausschließlich in der Vergangenheit lag und Abs. 4a wurde Abs. 5.
1 Allgemeines
1.1 Ziele der Pflegeversicherung
Rz. 1a
Mit der Einführung der Pflegeversicherung wurde die soziale Absicherung pflegebedürftiger Menschen deutlich verbessert. Aufgrund sich abzeichnender demographischer und medizinischer Entwicklungen musste eine nachhaltige Lösung für den gesellschaftlichen Umgang mit Pflegebedürftigkeit gefunden werden. Die Herausforderungen bestehen indes weiter und sie nehmen sogar zu. Die Bevölkerungszahl Deutschlands ist seit 2003 rückläufig und betrug im März 2011 etwa 81,7 Mio. Die Bevölkerungsstatistiker gehen davon aus, dass die Einwohnerzahl Deutschlands weiter sinken wird – bei gleichbleibender Fertilität und einem Wanderungsüberschuss von 100.000 bzw. 200.000 Menschen wird sich die Bevölkerung auf 65 bzw. 70 Mio. Menschen im Jahr 2060 reduzieren. Die amtlichen Vorausberechnungen gehen davon aus, dass im Jahr 2060 jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein wird. Besonders markant ist die Zunahme Hochbetagter (80 Jahre und älter), denn mit zunehmendem Alter steigt das Risiko von Pflegebedürftigkeit stark an – es liegt zwischen 60 und 80 Jahren bei 5,1 % und für über 80jährigen bei 31,2 %. Im Jahr 2010 waren rund 2,42 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. Diese Zahl könnte nach dem Demografiebericht 2011 bis zum Jahr 2020 auf rund 2,9 Mio. und im Jahr 2030 auf 3,37 Mio. Menschen steigen.
Rz. 2
Die Pflegeversicherung wurde deshalb mit folgenden Zielsetzungen eingeführt:
- Die Pflegebedürftigkeit soll vergleichbar wie Krankheit, Arbeitsunfall, Erwerbsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit im Rahmen einer Grundversorgung sozial abgesichert sein. Eine lückenlose und umfassende Absicherung durch das PflegeVG ist nicht beabsichtigt.
- Es sollen die pflegerischen Aufwendungen abgedeckt werden und die Betroffenen deshalb im Wesentlichen nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein.
- Die Pflegebedürftigen sollen möglichst lange trotz Pflegebedürftigkeit in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung verbleiben. Deshalb werden vorrangig Hilfen zur häuslichen Pflege zur Verfügung gestellt.
Im Jahr 2010 waren rund 2,42 Mio. Menschen auf Pflege angewiesen. Etwa 70 % dieser Leistungsempfänger werden ambulant gepflegt; 30 % wird stationäre Pflege zuteil.
Die Einführung der Pflegeversicherung hat allerdings dazu geführt, dass die pflegebedingte Sozialhilfe ("Hilfe zur Pflege") wesentlich weniger als vorher in Anspruch genommen wurde.
1.2 Organisation der Pflegeversicherung
Rz. 3
Der Gesetzgeber hat sich grundsätzlich für die Versicherungsform der Pflichtversicherung entschieden, zum einen neben der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung sowie der Arbeitsförderung als fünfte Säule der gesetzlichen Sozialversicherung, zum anderen als Pflichtversicherung im Rahmen privater Versicherung.
Die Durchführung der sozialen Pflegeversicherung obliegt den Pflegekassen, die unter dem Dach der gesetzlichen Krankenkassen angesiedelt sind, d. h., dass die Aufgaben der sozialen Pflegeversicherung von den gesetzlichen Krankenkassen wie AOK, BKK, IKK, landwirtschaftlichen KKn, Ersatzkassen und Knappschaft-Bahn-See wahrgenommen werden. Private Krankenversicherungsunternehmen sind verpflichtet, die private Pflegeversicherung durchzuführen.
2 Rechtspraxis
2.1 Versicherter Personenkreis
Rz. 4
Abs. 2 verdeutlicht generalisierend die Schutzfunktion der Pflegeversicherung, indem alle in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht- und freiwillig versicherten Personen sowie ihre berechtigten Familienangehörigen oder eingetragenen Lebenspartner (§ 25) von ihr kraft Gesetzes erfasst werden. Diese Personenkreise werden in §§ 20, 25 enumerativ genannt, entsprechen aber auch den in § 5, § 10 Abs. 1 SGB V aufgeführten Personen.
Die Personen, die privat für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, unterliegen nicht der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Für sie besteht allerdings die zwingende Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung entweder bei dem Versicherungsunternehmen, bei dem sie privat krankenversichert sind, oder bei einem anderen Versicherungsunternehmen.
Weitere Einzelheiten hierzu finden sich in § 23. Mit Abs. 2 wird den privaten Pflegeversicherungsunternehmen ein Stellenwert eingeräumt, der demjenigen der Pflegekassen in der sozialen Pflegeversicherung vergleichbar ist (BSG, Beschluss v. 1.10.2009, B 3 P 13/09 B, SozR 4-1...