Dr. Thomas Becker-Evermann
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 102 wurde mit Wirkung zum 1.6.1994 durch Art. 1 PflegeVG v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014) eingeführt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Nach dieser Vorschrift haben die Pflegekassen Angaben über Leistungen, die zur Prüfung späterer Leistungsgewährung erforderlich sind, aufzuzeichnen (Satz 1). Hierzu gehören insbesondere Angaben zur Feststellung der Voraussetzungen von Leistungsansprüchen und zur Leistung von Zuschüssen (Satz 2). Die Vorschrift entspricht weitgehend § 292 SGB V. Die damit vorgeschriebene Aufzeichnungspflicht dient zum einen der Verwaltungsvereinfachung durch die Vermeidung von Doppelerhebungen und zum anderen der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen, z. B. durch die Verhinderung von Doppelleistungen oder von Überschreitungen des begrenzten Leistungsrahmens.
2 Rechtspraxis
2.1 Erfasste Daten
Rz. 3
Die Aufzählung in Satz 2 ist nicht abschließend. Die Aufzeichnung kann daher auch hinsichtlich anderer Daten erfolgen, soweit sie für spätere Leistungsgewährungen erforderlich sein können. Sie muss versichertenbezogen vorgenommen werden. Erforderlich ist eine Angabe, wenn ohne sie die Voraussetzungen einer späteren Leistungsgewährung nicht abschließend beurteilt werden können (Holtbrügge, in: LPK-SGB XI, § 102 Rz. 5; Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 102 Rz. 4). Die dafür erforderliche Prognose ist wegen der Unsicherheiten in der gesundheitlichen Entwicklung häufig nicht einzelfallbezogen zu leisten. Daher ist auf eine generalisierende Betrachtungsweise anhand des Leistungsspektrums und der Leistungshäufigkeit abzustellen (Holtbrügge, a. a. O., Rz. 5; Didong, a. a. O., Rz. 3; auf die Vertretbarkeit abstellend Behr, in: PflegeV-Komm., § 102 Rz. 2). Ihr Inhalt wird Bestandteil des nach § 99 zu führenden Versichertenverzeichnisses.
2.2 Abgrenzung zu § 99
Rz. 4
Das Verhältnis der Vorschrift zum Regelungsgehalt des § 99 ist unklar, soweit letztere Norm ebenfalls eine Speicherung der zur Feststellung von Leistungsansprüchen erforderlichen Daten im Versichertenverzeichnis vorsieht. Nach § 99 können jedoch nur Daten aus noch nicht abgeschlossenen Leistungsfällen gespeichert werden (Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 102 Rz. 3). Denn die entsprechenden Daten sind nach § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu löschen, wenn ihre Kenntnis zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben nicht mehr erforderlich ist. Für die Speicherung in abgeschlossenen Leistungsfällen bedurfte es daher einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage, die mit § 102 geschaffen wurde.
2.3 Löschungsfristen für Daten des § 102
Rz. 5
Die von § 102 erfassten Daten unterliegen der Löschungspflicht nach § 107 Abs. 1 Nr. 1, so dass die Daten spätestens nach dem Ablauf von 10 Jahren zu löschen sind. Dies unterscheidet § 102 in abgeschlossenen Leistungsfällen maßgeblich von den für die Daten des Versichertenverzeichnisses nach § 99 geltenden Löschungsfristen. Hiernach sind die zur Feststellung des Leistungsanspruchs dort eingetragenen Daten nach § 107 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu löschen, wenn deren Kenntnis zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Für Abrechnungsdaten aus dem jeweiligen Leistungsfall gilt nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 gar eine feste Löschungsfrist von 2 Jahren. Die in § 102 ausgesprochene Ermächtigung ermöglicht damit nach Abschluss des Leistungsfalles eine längere Aufbewahrung der Daten, die zur Vermeidung von Doppelleistungen beiträgt (vgl. Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 102 Rz. 3; a. A. Behr, in: PflegeV-Komm., § 102 Rz. 5, der auf § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB X abstellen will und die Frist des § 107 Abs. 1 Nr. 1 nur als äußerste Grenze ansieht).