Rz. 117
Der Pflegebereich "Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen" erfasst 16 Aktivitäten und Fähigkeiten, die im Rahmen der Begutachtung auf der Basis des bisherigen Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht berücksichtigt wurden. Sie sind dem Themenkreis der selbständigen Krankheitsbewältigung zuzuordnen, und zwar insbesondere der krankheitsbezogenen Arbeit, die direkt auf die Kontrolle von Erkrankungen und Symptomen sowie auf die Durchführung therapeutischer Interventionen bezogen ist (BT-Drs. 18/5926 S. 110). Vor dem Hintergrund der prozentualen Gewichtung im Rahmen der Bewertungssystematik (20 %) hat (auch) dieser Bereich zentrale Bedeutung für die Beurteilung des Schweregrades der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit bzw. der Fähigkeiten.
Rz. 118
In diesem Bereich geht es – darauf weist der Gesetzgeber explizit hin – nicht darum, den Bedarf an (ärztlich verordneten) Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege bzw. Behandlungspflege nach dem SGB V einzuschätzen, insoweit gilt § 13 Abs. 2 SGB XI. Diese Leistungen sollen auch weiterhin in der häuslichen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. in der vollstationären Versorgung im Rahmen des § 43 von der Pflegeversicherung erbracht werden (BT-Drs. 18/5926 S. 110). Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Großteil der in diesem Pflegebereich aufgeführten Maßnahmen und Handlungen von den betroffenen Personen eigenständig durchgeführt werden kann, sofern sie über die körperlichen, kognitiven und psychischen Fähigkeiten, z. B. spezifische Fertigkeiten, Motivation oder Kenntnisse verfügen. Dies soll auch für Maßnahmen gelten, die nur selten selbst durchgeführt werden, wie z. B. das Absaugen von Sekret oder die regelmäßige Einmalkatheterisierung. Mit diesem Bereich wird daher häufig ein Hilfebedarf bei der Anleitung und Motivation oder eine Schulung der erkrankten Person zu bestimmten Maßnahmen verknüpft sein (BT-Drs. 18/5926 S. 110; vgl. ebenso Begutachtungs-Richtlinien S. 58 f.).
Rz. 119
Die zu begutachtenden Kriterien des Pflegebereichs Nr. 5 sind in 4 Unterbereiche gegliedert – lit. a bis lit. d – und bilden Aktivitäten bzw. Maßnahmen zu unterschiedlichen Lebenssituationen (z. B. Versorgung intravenöser Zugänge, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, Einhalten von Diäten) ab. Für diese sieht der Gesetzgeber in Anlage 1 zu § 15 unterschiedliche Einzelpunktbewertungen vor (zur Berechnung vgl. Komm. zu § 15).
Rz. 120
Hinsichtlich der Kriterien lit. a bis c ist – ähnlich wie bei der Bewertung in Punkt F 4.4.13 ("Ernährung parenteral oder über Sonde") – zunächst festzustellen, ob überhaupt Bedarf für unterstützende Maßnahmen besteht. Dies ist nicht der Fall, wenn das betreffende Kriterium in der individuellen Situation überhaupt nicht relevant ist – weil z. B. keine intravenösen Zugänge bestehen, die zu versorgen sind – oder wenn das Kriterium zwar relevant ist, die betroffene Person aber in der Lage ist, die Aktivität selbständig umzusetzen und demzufolge insoweit kein Hilfebedarf besteht. In diesem Fall ist dies entsprechend als "entfällt" oder "selbständig" zu kennzeichnen. Berücksichtigt werden umgekehrt also nur erforderliche Aktivitäten bzw. Maßnahmen, die von der betroffenen Person nicht selbständig – gemeint ist hier uneingeschränkt selbständig – umgesetzt werden können (vgl. Anlage 1 zu § 15). Ist festgestellt worden, dass die Aktivität in der zu begutachtenden Situation relevant ist und die betroffene Person diese nicht selbständig durchführen kann, ist in einem zweiten Schritt zu hinterfragen, in welcher Häufigkeit (Hilfs-)Maßnahmen zur Durchführung der Aktivitäten erforderlich sind, wobei im Grundsatz zwischen täglich, wöchentlich und monatlich zu differenzieren ist (zu den unterschiedlichen Berechnungsmodi vgl. Komm. zu § 15). Unerheblich ist insoweit, ob die personelle Unterstützung durch Pflegepersonen oder Pflege(fach-)kräfte erbracht wird, und ob sie gemäß § 37 SGB V (Häusliche Krankenpflege) verordnet und abgerechnet wird (Begutachtungs-Richtlinien S. 59 f.).
Durch die Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation unterscheidet sich die Bewertungssystematik des Pflegebereichs Nr. 5 also von jener der vorherigen weitestgehend, im Rahmen derer es gerade nichtauf den konkreten Pflegebedarf ankommt (vgl. oben).
Rz. 121
Die Begutachtung der unter lit. d genannten Kriterien erfolgt demgegenüber in nahezu gleicher Weise wie z. B. die Begutachtung der Kriterien des Pflegebereichs Nr. 1. Erforderlich ist auch hier eine Kategorisierung anhand des Grades der Selbständigkeit (selbständig, überwiegend selbständig, überwiegend unselbständig, unselbständig), wobei vorab zu klären ist, ob die Aktivität überhaupt relevant, z. B. die Einhaltung einer Diät erforderlich ist.
Rz. 122
Hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Kriterien ist zum einen zu beachten, dass nur die ärztlich angeordneten Maßnahmen einfließen dürfen, die gezielt auf eine bestehende Erkrankung und für voraussichtlich...