0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 3 trat durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I. S. 1014) zum 1.1.1995 in Kraft und wurde bisher nicht geändert.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Eines der Ziele der Pflegeversicherung ist es, die häusliche Pflege in besonderem Maß zu unterstützen und zu fördern. Die häusliche Pflege (§§ 36 bis 40), teilstationäre Pflege (§ 41) und die Kurzzeitpflege (§ 42) sollen i. S. d. Leistungserbringung seitens der Pflegekassen gegenüber der vollstationären Pflege (§ 43) vorrangig erbracht werden. Der Anspruch auf vollstationäre Pflege besteht jedoch unabhängig davon, ob häusliche oder teilstationäre Pflege möglich ist. Seit 1.1.2017 entfällt die Prüfung zur Erforderlichkeit der vollstationären Pflege (GR v. 22.8.2017, zu § 43 SGB XI Tit. 1, sie ist auch nicht mehr Gegenstand der seit dem 1.1.2017 geltenden Richtlinien zum Verfahren der Feststellung von Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem SGB XI).
2 Rechtspraxis
2.1 Verhältnis der häuslichen zur stationären Pflege
Rz. 2
Die stationären Pflegeleistungen nehmen gegenüber den ambulanten Pflegeleistungen keinen minderen Rang ein. Vielmehr ist den individuellen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen und seiner Pflegesituation Rechnung zu tragen. So darf es auch bei der Bewertung des Ausmaßes von Pflegebedürftigkeit mit dem Ziel der Einstufung des Pflegebedürftigen in einen Pflegegrad keine Rolle spielen, ob der Pflegebedürftige sich für häusliche ambulante Pflege oder die – kostenträchtigere – stationäre Pflege entschieden hat. Es ist derselbe Maßstab anzulegen. Stellt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (§ 18) fest, dass eine angemessene Versorgung und Betreuung im häuslichen Bereich des Pflegebedürftigen nicht sichergestellt ist, hat die Pflegekasse darauf hinzuwirken, dass durch geeignete Maßnahmen, z. B. durch Erweiterung der Pflegesachleistungen (§ 36), Abhilfe geschaffen wird oder dass sich der Pflegebedürftige für die teilstationäre oder vollstationäre Pflege entscheidet.
Rz. 3
Hierbei ist den Wünschen und Bedürfnissen des Pflegebedürftigen zu entsprechen. Ist es der erklärte Wunsch des Pflegebedürftigen, in seiner vertrauten häuslichen Umgebung zu bleiben, sollen mit allen geeigneten Mitteln die Voraussetzungen hierfür geschaffen werden, und zwar solange wie möglich, soweit dieses den Pflegepersonen zumutbar ist und eine angemessene Versorgung und Betreuung sichergestellt ist. Werden z. B. bei den Folgeuntersuchungen (§ 18) Mängel in der Versorgung oder Betreuung festgestellt, so hat die Pflegekasse im Interesse des Pflegebedürftigen insoweit Abhilfe zu schaffen, als es entweder zum Einsatz professioneller Pflegekräfte als Sachleistung kommt oder stationäre Pflege mit Zustimmung des Pflegebedürftigen in Erwägung zu ziehen ist. Auch die Gewährung von Zuschüssen für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen nach § 40 Abs. 4 dient den Zielen des § 3 (vgl. LSG Sachsen, Urteil v. 7.1.2009, L 1 P 15/08).
2.2 Prinzip der Wirtschaftlichkeit
Rz. 4
§ 3 normiert nicht nur den Vorrang der häuslichen Pflege, sondern das Gesetz sieht ebenfalls vor, dass die teilstationäre Pflege (§ 41) und die Kurzzeitpflege (§ 42) gegenüber der vollstationären Pflege (§ 43) insoweit ebenfalls vorrangig sind, als diese nicht nur vorübergehend erbracht werden. Die teilstationäre Pflege und die Kurzzeitpflege ergänzen oder ersetzen häufig die häusliche Pflege, so dass die enge Beziehung des Pflegebedürftigen zu seinem häuslichen Wirkungsbereich fortbesteht. Deshalb sieht Satz 2 vor, dass die teilstationären Pflegeleistungen und die Kurzzeitpflege grundsätzlich den Leistungen der vollstationären Pflege vorgehen.
3 Literatur
Rz. 5
Fuchs, Rehabilitation vor Pflege, SozSich 2002 S. 154.
Kesselheim, Qualität von Pflegeleistungen, DOK 1998 S. 323.