0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 32 trat durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014) zum 1.1.1995 in Kraft. Abs. 1 wurde durch Art. 10 SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046), in Kraft ab 1.7.2001, neu gefasst. Abs. 2 wurde ergänzt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Gemäß § 6 Abs. 1 SGB IX können die gesetzlichen Krankenkassen, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Träger der Alterssicherung der Landwirte, die Träger der Kriegsopferversorgung, die Träger der Kriegsfürsorge, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die Träger der Sozialhilfe als Rehabilitationsträger für medizinische Rehabilitation tätig werden. Die Pflegekassen hingegen sind keine Rehabilitationsträger. Sie werden durch § 32 gleichwohl in Fällen der Eilbedürftigkeit in den Leistungsbereich der medizinischen Rehabilitation eingebunden, indem sie vorläufige Leistungen erbringen.
Zudem kennt das Gesetz weitere Rechtsnormen wie § 5 oder § 31, durch die den Pflegekassen Verantwortung übertragen wird bei der Verwirklichung des Ziels, die Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
2 Rechtspraxis
2.1 Ziel und Voraussetzungen vorläufiger Leistungen
Rz. 3
§ 32 steht außerhalb der die Erbringung vorläufiger Leistungen allgemein regelnden Vorschrift des § 43 SGB I. Der Regelungsgehalt der Normen ist nicht deckungsgleich. Während § 43 SGB I die Situation des Zuständigkeitsstreits zwischen mehreren denkbarerweise leistungsverpflichteten Trägern einer Sozialleistung regelt, erteilt § 32 den Pflegekassen, die dem Grunde nach eben nicht Rehabilitationsträger sind, originär eine Zuständigkeit. Zweifelhaft ist aus diesem Grunde auch die Anwendbarkeit von § 102 SGB X für den Fall, dass die Pflegekasse vorläufige Leistungen erbringt.
Rz. 4
Die Zuständigkeit der Pflegekassen greift ein, wenn eine sofortige Leistungserbringung erforderlich ist und mit ihr spezifische, mit dem Tatbestand der Pflegebedürftigkeit einhergehende Ziele verfolgt werden können, d. h. eine unmittelbare drohende Pflegebedürftigkeit zu vermeiden ist, eine bestehende Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit zu verhüten ist. Nicht zulässig wäre es etwa mithin, die vorläufigen Leistungen zur schnellen Wiederherstellung von Erwerbsfähigkeit zu erbringen. Weitere Voraussetzung ist, dass bei Nichttätigwerden der Pflegekasse die sofortige Einleitung der Leistungen gefährdet wäre.
2.2 Verfahren
Rz. 5
Die Pflegekasse hat sich, wenn sie die Erforderlichkeit einer Rehabilitation feststellt, gemäß Abs. 2 an den zuständigen Träger der Rehabilitation zu wenden und dabei auf die Eilbedürftigkeit der Leistungsgewährung hinzuweisen. Die Vorschrift knüpft an § 31 Abs. 3 an. Bereits nach Maßgabe dieser Norm hat die Pflegekasse, wenn sie die Rehabilitationsbedürftigkeit eines Versicherten in medizinischer Hinsicht feststellt, dies unverzüglich dem zuständigen Rehabilitationsträger mitzuteilen. In Eilfällen hat sie darüber hinaus abzuklären, ob dieser Träger imstande ist, sofort die angezeigten Maßnahmen zu erbringen. Bei negativer Auskunft ist sie in der Verantwortung, mittels der Erbringung der vorläufigen Leistungen die Rehabilitation des Versicherten einstweilen sicherzustellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn von vornherein auszuschließen ist, dass innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen die angezeigten Maßnahmen erbracht werden können. Steht in Aussicht, dass der zuständige Rehabilitationsträger vor Ablauf der 4 Wochen wird tätig werden können, hat die Pflegekasse diesen Zeitraum abzuwarten. Sie darf dann erst nach fruchtlosem Fristablauf vorläufige Leistungen erbringen.
3 Literatur
Rz. 6
Klie, Der Vorrang von Rehabilitation vor Pflege – nicht eingelöster Programmsatz oder programmatische Neuausrichtung des Leistungsrechts?, PflR 2005 S. 439.
Kohl/Carius, Prävention im Spannungsfeld von Eigenverantwortung, Solidarität und Finanzierbarkeit, DRV 2003 S. 30.
Niemann, Die Kodifizierung des Behinderten- und Rehabilitationsrechts im SGB IX – Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, NZS 2001 S. 583.