2.1 Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Rz. 3
Mit Abs. 1 hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass kein Anlass besteht, die Wohlfahrtspflege auf dem Gebiet der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung ganz dem Staat zu übertragen und sie als staatliche Aufgabe auszuweisen (BVerfG, Beschluss v. 17.10.2007, 2 BvR 1095/05, SozR 4-3300, § 9 Nr. 3).
2.2 Aufbau einer Pflegeinfrastruktur
Rz. 3a
Abs. 2 schreibt zwingend vor, dass eine leistungsfähige, regional gegliederte, ortsnahe und aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden muss. Für ausdrücklich zuständig werden die Länder, die Kommunen, die Pflegeeinrichtungen und die Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erklärt. Die Beteiligten haben eine leistungsfähige und wirtschaftliche Pflegeinfrastruktur aufzubauen und vorzuhalten.
Rz. 4
Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BR-Drs. 505/93) wird auf eine Vielfalt von Leistungserbringern in freigemeinnütziger, privater und öffentlicher Trägerschaft ebenso Wert gelegt wie auf die Prinzipien des Wettbewerbs, der Wirtschaftlichkeit und der Leistungsfähigkeit der Leistungserbringer sowie auf Qualität und Humanität der Pflegeleistungen. Damit geht die Forderung einher, die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine verbesserte und umfassende Pflege zu schaffen. Gemeint sind damit auch die Förderung, der weitere Ausbau und die Gestaltung menschenwürdiger Lebens- und Wohnverhältnisse für pflegebedürftige Menschen. Vor allem für ältere Menschen sind neue Formen der Betreuung denkbar, die dazu beitragen können, durch Hilfen im Alltag Pflegebedürftigkeit zu vermeiden bzw. hinauszuschieben oder eine Verschlimmerung zu verhüten.
Rz. 5
Dieses wird insgesamt, auch unter Berücksichtigung finanzieller Aspekte, nur langfristig möglich sein, insbesondere der Ausbau und die Weiterentwicklung der notwendigen pflegerischen Versorgungsstrukturen. Zu beachten ist bei allem indes § 3, wonach die Pflegeversicherung vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen soll.
2.3 Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung
Rz. 6
Mit Blick auf die demographische Entwicklung hat der Gesetzgeber sich dazu entschlossen, Vorhaben zur Weiterentwicklung der in der Pflege geltenden Versorgungsformen zu fördern. Abs. 3 enthält hierzu eine Vielzahl von Regelungen. Seit 1.1.2015 (in Kraft treten des PSG I) kann der Spitzenverband Bund der Pflegekassen in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit zur Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung und der Pflegeversicherung neben Modellvorhaben und deren wissenschaftlicher Begleitung auch weitere Maßnahmen, z. B. Studien, wissenschaftliche Expertisen und Fachtagungen fördern. Die Zielrichtung der gesamten Vorschrift wird in Satz 2 wiedergegeben, wonach in Modellvorhaben vorrangig personenbezogene Budgets sowie die Umsetzung neuer Wohnkonzepte für Pflegebedürftige erprobt werden sollen. Die Erprobung erfolgt nach Satz 1 mittels Vereinbarungen mit Leistungserbringern. Die Modellvorhaben sind auf längstens 5 Jahre zu befristen (Satz 6) und sie müssen wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden (Satz 11). Personenbezogene Daten können dabei nur mit Einwilligung des Pflegebedürftigen erhoben, verarbeitet und genutzt werden (Satz 12 i. V. m. § 45c Abs. 5).
Das Fördervolumen beträgt nach Satz 1 5 Mio. EUR pro Kalenderjahr, wobei der zum 1.7.2008 in Kraft getretene neue Satz 5 dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen mit der Möglichkeit einer Übertragung in das Folgejahr mehr Flexibilität im zeitlichen Ablauf eröffnet. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung. Satz 3 erlaubt für den Einzelfall grundsätzlich ein Abweichen von den derzeitigen vergütungsrechtlichen Regelungen, wobei die dadurch entstehenden Mehrbelastungen nach Satz 4 der Vorschrift in das Fördervolumen einzubeziehen sind.
Zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen, die in der stationären Pflege 5 Pflegeklassen vorsehen und für die integrierte Versorgung zulassen, ist nach Satz 3 seit dem 1.7.2008 auch eine Abweichung von den Regelungen des § 84 Abs. 2 Satz 2 möglich. Zulässig werden nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 16/7439 S. 50) dadurch beispielsweise Modellvorhaben, mit denen ein einheitlicher Pflegesatz, stationsbezogene Pflegesätze oder auch stärker untergliederte Pflegesätze erprobt werden können. Die Abkoppelung des Pflegesatzes von den Pflegegraden hält der Gesetzgeber für geeignet, den Pflegeheimen stärkere Anreize zur Verbesserung von Arbeits- und Ablauforganisationen zu verschaffen. Derartige Erprobungen haben indes die übrigen Grundsätze zur Bemessung der Pflegesätze nach § 84 ebenso zu beachten wie die Regelungen zum Pflegesatzverfahren nach § 85.
Satz 8 verlangt, dass die Maßnahmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit abgestimmt werden. Soweit finanzielle Interessen einzelner Länder berührt werden, sind diese nach Maßgabe von Satz 9 zu beteiligen.
Rz. 7
Nach Maßgabe von Satz 7 bestimmt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen einh...