Dr. Thomas Becker-Evermann
2.1 Bereichsspezifische Datenschutzvorschriften
Rz. 2
Inhaltlich bedurfte es der in § 93 getroffenen Regelung nicht (vgl. Krahmer, in: LPK-SGB XI, § 93 Rz. 2); denn gemäß § 37 Satz 1 SGB I gelten das Erste und Zehnte Buch für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Nach § 37 Satz 3 SGB I gilt der Vorbehalt des Satzes 1 zudem nicht für die §§ 1 bis 17 und §§ 31 bis 36 SGB I. Die Norm des § 93 hat damit rein deklaratorischen Charakter.
Aus § 37 Satz 1 und 3 SGB I folgt zugleich, dass die Regelungen der §§ 93ff. die Normen des § 35 SGB I und der §§ 67ff. SGB X nur ergänzen. Die §§ 94 bis 98 gehen den allgemeinen Regelungen nur insoweit als spezialgesetzliche Ausgestaltungen vor, soweit sie nicht gegen das Sozialgeheimnis verstoßen bzw. sie sich im Rahmen der in den allgemeinen Vorschriften vorgesehenen Ausnahmen halten (vgl. Krahmer, in: LPK-SGB XI, § 93 Rz. 2; Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 93 Rz. 12). Dieser Sichtweise entsprechend sind die Begriffsbestimmungen des § 67 SGB X auch im Bereich der Pflegeversicherung anwendbar. Andererseits ergibt sich aus § 37 Satz 1 SGB I, dass zu abweichenden Regelungen in den Sozialgesetzbüchern die Regelungen der § 35 SGB I und § 67ff. SGB X nachrangig sind. Halten sich die Regelungen an den oben genannten Rahmen, gehen die speziellen Vorschriften den allgemeinen Regelungen vor. Neben den in § 93 genannten gesetzlichen Regelungen des Sozialdatenschutzes kann im Einzelfall noch die Anwendung des BDSG in Betracht kommen (vgl. Krahmer, in: LPK-SGB I, § 35 Rz. 5; Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 93 Rz. 24). Dies gilt für Daten, die nicht Sozialdaten sind, z. B. fiskalische Angaben und Informationen zu Mitarbeitern.
Während sich die Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und sonstigen Nutzung weitgehend nach den besonderen datenschutzrechtlichen Normen des Pflegeversicherungsgesetzes bestimmt, behalten demnach die allgemeinen Regelungen zum Sozialdatenschutz (§ 35 SGB I, §§ 67 bis 85a SGB X) – ggf. in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Datenschutzvorschriften des Bundes und der Länder – ihre wesentliche Bedeutung insbesondere in Fragen
- der zulässigen Übermittlung von Sozialdaten (§§ 67d bis 77 SGB X),
- der zum Schutz der Pflegedaten zu treffenden organisatorischen und technischen Sicherheitsvorkehrungen (§§ 78a, 79 SGB X),
- der Auftragsdatenverarbeitung (§ 80 SGB X),
- der Rechte der von der Datenverarbeitung Betroffenen (§§ 81ff. SGB X),
- der gemäß § 81 Abs. 4 SGB X i. V. m. § 18 Abs. 2 BDSG zu führenden Verzeichnisse über die zu Aufgabenzwecken der Pflegeversicherung verwendeten Dateien und eingesetzten Datenverarbeitungsanlagen,
- der Bestellung, Aufgaben und Befugnisse des behördlichen/betrieblichen Datenschutzbeauftragten (§ 81 Abs. 4 SGB X),
- der dem Bundes- und Landesbeauftragten für den Datenschutz gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und Rechte (§ 81 Abs. 2 SGB X),
- der bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen anwendbaren Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 85, 85a SGB X).
2.2 Verhältnis zu den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder
Rz. 3
Ihre Bedeutung weitgehend verloren haben mit Inkrafttreten des 2. SGB-ÄndG v. 13.6.1994 (BGBl. I S. 1229) die nach altem Recht für die Sozialleistungsträger und ihre Verbände bei Verarbeitung personenbezogener Daten maßgebenden Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (vgl. § 79 SGB X a. F.). Mit Wirkung zum 1.7.1994 sind die gemäß Art. 6 2. SGB-ÄndG novellierten Vorschriften des SGB X als bereichsspezifische Datenschutznormen an deren Stelle getreten. Eine Ausnahme gilt neben der Lückenfüllung (s. o.) für diejenigen Bestimmungen des BDSG bzw. Datenschutzvorschriften der Länder, deren entsprechende Anwendung durch Vorschriften des Sozialgesetzbuches erklärt wird.