Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Nach unterschiedlichen übereinstimmenden Studien geben ca. 80 % der Beschäftigten an, dass sie außerhalb geregelter Arbeitszeiten für dienstliche Belange erreichbar sind. Diese relativ hohe Zahl erklärt sich dadurch, dass in den meisten Arbeitsverhältnissen Kollegen und Vorgesetzte die privaten Kontaktdaten eines Beschäftigten kennen und damit die Möglichkeit haben, außerhalb der Arbeitszeiten Kontakt aufzunehmen. Dieser Sachverhalt allein hat in den allermeisten Fällen aber keine besonderen Folgen, weil die Mehrzahl der Beschäftigten
- nicht oder nur in sehr seltenen Ausnahmefällen tatsächlich außerhalb der regulären Arbeitszeiten kontaktiert wird und
- dementsprechend der ständigen Erreichbarkeit keine besondere Aufmerksamkeit widmet, z. B. das mobile Telefon nicht immer bei sich trägt und schon gar nicht in die Lage gerät, private Planungen am Bedarf nach Erreichbarkeit ausrichten zu müssen.
Der Anteil Beschäftigter, die tatsächlich nach Feierabend, an Wochenenden und im Urlaub in erheblichem Umfang dienstlich gefordert sind, ist demgegenüber deutlich geringer. Etwa 20 % der Beschäftigten geben an, mehr als einmal in der Woche außerhalb der Arbeitszeiten Mails zu lesen, und nur etwa 8 % haben nach dem DAK-Gesundheitsreport von 2013 ein hohes oder sehr hohes "Maß an Erreichbarkeit".
Insgesamt kommen berufliche Anforderungen an Feierabenden von Werktagen am häufigsten vor, weniger intensiv an Wochenenden und im Urlaub der Beschäftigten. Meistens sind es Vorgesetzte oder Kollegen, die außerhalb der Arbeitszeiten Kontakt aufnehmen, weniger häufig Kunden.
Besonders von Erreichbarkeitsanforderungen betroffen sind:
- Führungskräfte,
- "Spezialisten", wie Technik- und IT-Mitarbeiter,
- Dienstleistungsbranchen mehr als Produktionsbranchen,
- Branchen, in denen viel mobil gearbeitet wird und die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben immer schon durchlässiger waren, z. B. im Wissenschaftsbetrieb, in Medienunternehmen und im Außendienst.
In Produktionsunternehmen scheint die Verbreitung des Phänomens hoher Erreichbarkeitsanforderungen sehr uneinheitlich zu sein und von vielfältigen Faktoren beeinflusst, unter denen Unternehmensorganisation und -kultur sicher besonders wichtige Rollen spielen.
Kommunikationswege
Auf dem aktuellen kommunikationstechnischen Stand erfolgt der Kontakt zu Arbeitgeber und Kollegen/Kunden außerhalb der regulären Arbeitszeiten vor allem mobil, per Telefon oder per E-Mail auf diversen mobilen Endgeräten (Smartphone, Tablet, Notebook o. Ä.) deutlich seltener über SMS, Messenger-Dienste, Chats oder Soziale Netzwerke.
Gründe für gestiegene Erreichbarkeitsanforderungen:
Technische Entwicklung
Offensichtlich hat die immer weiter verbesserte IT-Infrastruktur wesentlich dazu beigetragen, dass Beschäftigte unfassend außerhalb der regulären Arbeitszeiten für dienstliche Belange erreichbar sind. Darüber sollte aber nicht übersehen werden, dass sich die Art der Arbeitsabwicklung und die Unternehmenskultur als solches in vielen Branchen und Betrieben verändert haben und es nicht nur technische Gründe sind, die dazu führen, dass Beschäftigte bestrebt sind, weitestgehend erreichbar zu sein.
Mobile Arbeit
Arbeitsverhältnisse, in denen Beschäftigte nicht nur an einem Standort des Arbeitgebers tätig sind, sondern abwechselnd an verschiedenen Standorten, bei Kundenbetrieben, von unterwegs oder zuhause aus, nehmen zu. Während vor einigen Jahrzehnten nur bestimmte Tätigkeiten außerhalb der Unternehmensräume verrichtet werden konnten, sind heute Beschäftigte in bestimmten Branchen und Betrieben in der Lage und daran gewöhnt, nahezu überall zu arbeiten. Damit ist die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben weniger deutlich und die Bereitschaft höher, auch "zwischendrin" arbeitsbezogene Kontakte wahrzunehmen und Aufgaben zu erledigen.
Vielfältige Arbeitsverhältnisse, flexible Arbeitszeiten
Die Arbeitswelt ist vielfältiger und flexibler geworden. Wer bei ein- und demselben Arbeitgeber vollzeitbeschäftigt ist, hat grundsätzlich bessere Möglichkeiten, Arbeitstätigkeiten und Kommunikation innerhalb der regulären Arbeitszeiten abzuwickeln. Wer aber stunden- oder tageweise arbeitet und ggf. verschiedene Arbeitsverhältnisse (ggf. auch in Selbstständigkeit) nebeneinander führt, steht vor der Aufgabe, viele Prozesse nebeneinander am Laufen zu halten, auch wenn er oder sie gerade nicht vor Ort verfügbar ist. Dabei werden auch Randzeiten, die eigentlich der Freizeit zuzurechnen wären, mit einbezogen.
Arbeitszeiten werden auch dadurch weiter aufgefächert, dass sich das öffentliche Leben und damit zum Teil die Geschäftszeiten von Betrieben, Einrichtungen und Geschäften verändern. Das führt nicht nur bei den direkt betroffenen Beschäftigten, sondern auch bei verantwortlichen Vorgesetzten zu erweiterten "Zuständigkeitszeiten".
Hohe Leistungsanforderungen
Kommunikationsabläufe sind in den letzten Jahrzehnten schneller und Betriebsstrukturen komplexer geworden. In der Folge sehen sich diversen Untersuchungen zufolge Beschäftigte deutlich mehr geforder...