LfSt Rheinland-Pfalz v. 24.3.2020, S 0453/S 0457/S 0511 A - St 34 1
Anforderungen an die Anträge auf Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen, Herabsetzungen von Vorauszahlungen, Fristverlängerungen
Nachfolgend möchte ich Sie unter Bezugnahme auf das o.a. BMF-Schreiben vom 19.03.2020 – IV A 3 – S 0336/19/10007 :002 über die in meinem Zuständigkeitsbereich dazu festgelegten Einzelheiten hinsichtlich der Anforderungen an Anträge auf Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen, Herabsetzung von Vorauszahlungen und Fristverlängerungen informieren.
I. Billigkeitsmaßnahmen
Die nachfolgenden Regelungen kommen grundsätzlich bei allen Steuerarten in Betracht, die im Auftrag des Bundes verwaltet werden (u.a. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer) und gelten für bereits fällige und bis zum 31.12.2020 noch fällig werdende Ansprüche.
Billigkeitsanträge zu bundesgesetzlich geregelten Landessteuern (u.a. Grunderwerbsteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer) sind von den Finanzämtern wie bisher nach den allgemeinen Regelungen im Wege der Einzelfallprüfung zu bearbeiten.
Im Einzelnen ergeben sich folgende Besonderheiten bei den jeweiligen Billigkeitsmaßnahmen:
Anträge auf Stundung, § 222 AO
Soweit ein Steuerpflichtiger nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffen ist, sind an die Darlegung der Voraussetzungen für eine Stundung keine strengeren Anforderungen zu stellen. Ein allgemeiner Hinweis auf die Corona-Pandemie ist grundsätzlich jedoch nicht ausreichend. Der unmittelbare Zusammenhang und die finanziellen Auswirkungen sind wenigstens in Umrissen plausibel darzulegen. Der Umfang der finanziellen Einbußen muss hingegen nicht konkretisiert und nachgewiesen werden.
Von der Versendung von Fragebögen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse werden die Finanzämter in der Regel absehen. In gewichtigen Einzelfällen kann jedoch ein Nachweis mittels Fragebogen erforderlich sein.
Bei Steuerpflichtigen, die in besonders stark betroffenen Branchen (u.a. Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel) tätig sind, bedarf es keiner besonderen Darlegung. Die unmittelbare Betroffenheit ist bereits dadurch gegeben, dass die Corona-Krise direkt zu finanziellen Einbußen beim Steuerpflichtigen geführt hat, wie es z.B. bei Umsatzrückgängen wegen ausbleibender Aufträge der Fall ist.
Für die Lohnsteuer gelten weiterhin die gesetzlichen Regelungen, sie ist daher nicht zu stunden (§ 222 S. 4 AO); diesbezüglich kommt aber die Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes in Betracht.
Die Stundungen können bis zum 31.12.2020 ausgesprochen werden. Auf die Festsetzung von Stundungszinsen wird verzichtet (§ 234 Abs. 2 AO).
Gegenstand der Stundung können nur festgesetzte Steueransprüche sein. Daher sind für noch festzusetzende Steuern, z.B. Umsatzsteuervoranmeldungen, jeweils erneute Anträge zu stellen. Auf eine weitergehende Begründung kann dann verzichtet werden.
Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen, § 258 AO
Soweit dem Finanzamt bekannt wird, dass ein Steuerpflichtiger unmittelbar und nicht unerheblich betroffen ist, sollen keine Vollstreckungsmaßnahmen mehr ausgebracht werden. Bestehende Maßnahmen, die die Handlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen einschränken (z.B. Kontopfändung) werden aufgehoben. Die unmittelbare und nicht unerhebliche Betroffenheit ist analog der Anforderungen an die Stundung darzulegen. Ein Nachweis über die wirtschaftlichen Verhältnisse ist jedoch nicht erforderlich.
Ich weise jedoch darauf hin, dass Sicherungsmaßnahmen (u.a. Zwangssicherungshypothek) im Einzelfall möglich bleiben.
Erlass, § 227 AO
Grundsätzlich ist ein Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis aufgrund der Corona-Pandemie nicht vorgesehen. Bei Antragstellung gelten daher die bislang bestehenden allgemeinen Grundsätze des § 227 AO.
Lediglich die während eines Vollstreckungsaufschubs bis zum 31.12.2020 verwirkten Säumniszuschläge werden erlassen. Das Aussprechen dieser Erlasse wird sukzessive nach dem 01.01.2021 erfolgen. Ich bitte um Verständnis, dass aufgrund der zu erwartenden hohen Fallzahlen die Bearbeitung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird.
II. Vorauszahlungen
Darüber hinaus haben die betroffenen Steuerpflichtigen bis zum 31.12.2020 die Möglichkeit, unter Darlegung ihrer Verhältnisse, Anträge auf Herabsetzung der Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum 2020 zu stellen. Hierbei ist auch eine Anpassung der bereits für das 1. Quartal 2020 entrichteten Vorauszahlungen sowie der fälligen und nicht getilgten Vorauszahlungen i.S.d. § 37 Abs. 4 EStG (i.V.m. § 31 Abs. 1 KStG („erhöhte Vorauszahlungen 2019”) möglich.
Bezüglich der Anträge auf Herabsetzung des Steuermessbetrages für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen für den Erhebungszeitraum 2020 sind am 19.03.2020 gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder ergangen. Danach können die Finanzämter bei Kenntnis veränderter Verhältnisse hinsichtlich des Gewerbeertrages für den Erhebungszeitraum 2020 die Anpassung der Gewerbesteuer-Vorauszahlung...