Ähnliche bis gleiche Wirkungen wie die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG erzielt das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG). Dabei erstrecken §§ 2 und 3 AEntG zunächst die Mindestarbeitsbedingungen auf in Deutschland ausgeübten Arbeitsverhältnisse mit Arbeitgebern mit Sitz im Ausland.
§ 2 AEntG betrifft dabei Rechts- oder Verwaltungsvorschriften über u. a. Mindestjahresurlaub, Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten, Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitssicherheit, Gleichbehandlung. § 3 erstreckt bestimmte in Tarifverträgen geregelte Mindestarbeitsbedingungen auf derartige Arbeitsverhältnisse mit ausländischen Arbeitnehmern, wobei es lediglich um die Erstreckung von Tarifverträgen geht, die nach§ 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt wurden oder deren Geltung durch Rechtsverordnung nach § 7 AEntG erstreckt wurde.
Neben dieser besonderen Geltungsanordnung für Arbeitsverhältnisse mit ausländischen Arbeitgebern sieht § 7 AEntG die Möglichkeit vor, dass Tarifverträge über bestimmte geregelte Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung auf alle im Geltungsbereich befindlichen Arbeitsverhältnisse erstreckt werden. Diese Erstreckung richtet sich daher u. a. an inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nicht schon kraft Mitgliedschaft in einem tarifvertragsschließenden Verband an die Tarifverträge gebunden sind. Diese Geltungserstreckung in ihrer inländischen Wirkung ist das in den letzten Jahren vermehrt genutzte Instrument, um in Deutschland bestimmte Mindestarbeitsbedingungen durchzusetzen. Da die Rechtsverordnung im Vergleich zu der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG an geringere Voraussetzungen geknüpft ist, erscheint sie derzeit in der Arbeitsmarktpolitik als das geeignete Instrument zum Schutz der Arbeitnehmer vor Niedrigstlöhnen. Vorausgesetzt wird allein, dass die Geltungserstreckung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Nicht dagegen wird – wie bei § 5 TVG – verlangt, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Es handelt sich insofern um eine Allgemeinverbindlicherklärung "light".
Die Geltungserstreckung kommt nicht für sämtliche Branchen in Betracht, sondern nur für die in § 4 AEntG genannten, wobei die Liste in den letzten Jahren mehrfach erweitert wurde:
- Bauhaupt- und Baunebengewerbe
- Gebäudereinigung
- Briefdienstleistungen
- Sicherheitsdienstleistungen
- Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken
- Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
- Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst
- Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen
- Schlachten und Fleischverarbeitung
Darüber hinaus kommen nur bundesweite Tarifverträge in Betracht, wobei ausreichend ist, dass über parallele Tarifverträge das gesamte Bundesgebiet abgedeckt ist. Zum 1.10.2014 bestanden Tarifverträge mit Geltungserstreckung nach § 7 AEntG in folgenden Branchen: Bergbau, Elektrohandwerk, Baugewerbe, Gerüstbauerhandwerk, Maler- und Lackiererhandwerk, Dachdeckerhandwerk, Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk, Briefdienstleistung, Gebäudereinigung, Wäschereidienstleistungen, in der Abfallwirtschaft und in der Fleischwirtschaft. Hinzu kommt eine Rechtsverordnung für die Pflegebranche, für die in § 11 AEntG eine gesonderte Erstreckungsmöglichkeit geschaffen wurde, die nicht auf abgeschlossenen Tarifverträgen aufbaut. Inhaltlich kann die Geltungserstreckung nur bestimmte Mindestarbeitsbedingungen betreffen. Nach § 5 AEntG sind dies Mindestentgeltsätze einschließlich Überstundensätze, Dauer des Erholungsurlaubs, Urlaubsentgelt, zusätzliches Urlaubsgeld, Regelungen über Urlaubskassen als gemeinsame Einrichtungen sowie die in § 2 AEntG genannten Arbeitsbedingungen (u. a. Mindestjahresurlaub, Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten, Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitssicherheit, Gleichbehandlung).
Nach dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11.8.2014 gibt es nunmehr auch eine branchenunabhängige Möglichkeit, Tarifverträge nach dem neuen § 7a AEntG auf alle Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich erstrecken zu lassen. Voraussetzung ist, dass dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint, um die in § 1 AEntG genannten Gesetzesziele zu erreichen und dabei insbesondere einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenzuwirken.