Nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB werden bei einem Betriebsübergang die Bestimmungen des normativen Teils des Tarifvertrags in vertragliche Ansprüche transformiert, soweit nicht beim Erwerber zum gleichen Regelungsgegenstand ein Tarifvertrag normativ Anwendung findet. Vertragsinhalt werden aber nur die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Tarifnormen. Vereinbaren die Tarifvertragsparteien nach dem Betriebsübergang das Inkrafttreten neuer Tarifnormen und setzen sie diese rückwirkend in Kraft, so werden diese Regelungen nicht nachträglich zum Vertragsinhalt der übergegangenen Arbeitsverhältnisse, für die keine Tarifbindung mehr beim Erwerber besteht.
Rückwirkendes Inkrafttreten von Tarifnormen
Ein Betrieb geht am 1.1.2024 nach § 613a BGB auf den Erwerber über. Am 9.8.2024 vereinbaren die Tarifvertragsparteien rückwirkend die Zahlung von Abfindungen für betriebsbedingte Kündigungen im Zeitraum vom 1.1.2023 bis zum 31.12.2024.
Lösung
Diese Abfindungsregelung erfasst den übergegangenen Betrieb und seine Arbeitsverhältnisse nicht mehr, da nur die im Zeitpunkt des Übergangs am 1.1.2024 bestehenden Tarifnormen Gegenstand des Einzelarbeitsverhältnisses werden.
Aber auch wenn die Bestimmungen des normativen Teils nach einem Betriebsübergang zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden sind, können sie später durch einen normativ geltenden Tarifvertrag abgelöst werden, d. h. der Tarifvertrag muss kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft Allgemeinverbindlicherklärung Anwendung finden. Die in das Arbeitsverhältnis transformierten Regelungen stehen nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB unter dem Vorbehalt einer Regelung durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags. Die einjährige Veränderungssperre verbietet nur eine individual-rechtliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, nicht eine spätere Änderung durch eine gleichrangige kollektivrechtliche Regelung.
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag
Der Betrieb des tarifgebundenen Veräußerers geht am 1.3.2024 nach § 613a BGB auf den Erwerber über. Zu diesem Zeitpunkt gilt ein Tarifvertrag, der die Zahlung von Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen vorsieht. Da der Erwerber nicht tarifgebunden ist, gelten die Abfindungsregelungen nicht mehr normativ, sondern nur kraft Transformation in die Arbeitsverhältnisse. Die Abfindungsbeträge haben sich nach dem Betriebsübergang durch einen Änderungstarifvertrag verschlechtert. Dann tritt der Erwerber dem Arbeitgeberverband bei.
Lösung
Damit erfasst die Neuregelung auch die Arbeitsverhältnisse im übergegangenen Betrieb, obwohl die (günstigeren) früheren Tarifbedingungen bereits in das Arbeitsverhältnis transformiert worden waren. Es kommt zu einer Ablösung der ursprünglichen tariflichen Normen durch die neuen schlechteren Tarifbedingungen.
Gilt ein Tarifvertrag nach einem Betriebsübergang normativ fort, weil der Erwerber ebenfalls tarifgebunden ist, und endet die Geltung des Tarifvertrages (z. B. aufgrund einer Kündigung), so endet auch für die übergegangenen Arbeitsverhältnisses die zwingende Nachbindung und es tritt im Regelfall die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG ein. Ist der Erwerber nicht tarifgebunden und kommt es zu einer Transformation der bisherigen Tarifbindungen, führt die spätere Kündigung des Tarifvertrages, der die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG ausgeschlossen hatte, zum vollständigen Wegfall der ursprünglich transformierten Arbeitsbedingungen.
Nachträglicher Wegfall von transformierten Arbeitsbedingungen
Der Veräußerer vereinbart mit der Gewerkschaft einen Sanierungs-Firmentarifvertrag, nach dem die Vergütung abgesenkt wird. Die Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG schließen die Tarifvertragsparteien aus. Nach dem Betriebsübergang kündigt die Gewerkschaft den Sanierungstarifvertrag gegenüber dem Veräußerer.
Lösung
Damit darf der Erwerber nicht mehr die niedrigere Vergütung zahlen, sondern muss wieder die Vergütung zahlen, die vor Abschluss des Sanierungstarifvertrages geltende Vergütung, z. B. aufgrund eines in Bezug genommenen Flächentarifvertrages.