Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsantrag. unrichtige Rechtsanwendung. Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte. Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs 4 S 2 SGB 2. rechtswidrige Nichterbringung von Sozialleistungen. Ermessensentscheidung. Ermessensreduzierung auf Null
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer wegen ermessensfehlerhafter Entscheidung unrichtigen Rechtsanwendung im nach § 44 Abs. 1 SGB X zu überprüfenden Bewilligungsbescheid ist nur dann davon auszugehen, dass eine Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht worden ist, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null festgestellt werden kann. Andernfalls ist eine Verurteilung der Behörde nach § 44 SGB X nicht möglich, auch nicht zur Neubescheidung.
2. Zur Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB II.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom 27. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten einen Mehrbedarf für behinderte Menschen über den 18. Januar 2006 hinaus bis zum 12. Oktober 2010.
Der 1980 geborene Kläger hat den Beruf des Karosserie- und Fahrzeugbauers erlernt. Am 28. Mai 2003 beantragte er bei der B. für A. N. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Am 7. April 2003 empfahl der Ärztliche Dienst wegen einer festgestellten Ekzembildung an Unterarmen und Händen beim Umgang mit hautreizenden Substanzen wie Lösungsmitteln, Lacken und Farben eine leidensgerechte Umschulungsmaßnahme. Mit dem Bescheid der A. N. vom 28. Januar 2004 wurde dem Kläger hierfür ein Bildungsgutschein für eine Ausbildung zum IT-Systemkaufmann nach den Vorschriften des Drittes Buches Sozialgesetzbuch erteilt. Diese absolvierte der Kläger dann vom 4. Februar 2004 bis 18. Januar 2006.
Im Abschluss daran war der Kläger arbeitsuchend und nahm am 6. November 2006 eine Beschäftigung als freier Mitarbeiter auf. Von März 2007 bis 31. Mai 2007 war er geringfügig beschäftigt.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag u.a. mit bestandskräftigen Bescheiden vom 25. Januar 2006, 3. Februar 2006, 6. Juli 2006, 18. Dezember 2006, 14. Februar 2007, 19. Juni 2007, 13. Dezember 2007, 3. Juni 2008, 10. Dezember 2008, 21. April 2009, 2. Juni 2009, 6. Juni 2009, 26. November 2009, 2. März 2010 und 2. Juni 2010 Leistungen zur Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2010 ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für behinderte Menschen.
Am 12. Oktober 2010 erließ die B. für A. einen Feststellungsbescheid über den Abschluss des Reha-Verfahrens wegen beruflicher Erfolgsaussichten. Darin heißt es, dass eine berufliche Eingliederung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben keine Erfolgsaussichten verspreche und das Verfahren zur beruflichen Rehabilitation abzuschließen ist.
Mit Schreiben vom 29. November 2010 (Eingang am 2. Dezember 2010) beantragte der Kläger die Feststellung eines Grades der Schwerbehinderung. Am 11. Februar 2011 wurde ihm ein Grad der Schwerbehinderung von 50 mit Wirkung ab 2. Dezember 2010 zuerkannt.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 beantragte der Kläger die Überprüfung der für den Zeitraum 2005 bis 2010 ergangenen Bescheide und behauptete, er habe Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben über den 18. Januar 2006 hinaus erhalten.
Mit Bescheid vom 26. Mai 2011 lehnte der Beklagte eine Abänderung der Bescheide ab, weil keine Leistungen zur Teilhabe bewilligt worden seien. Den Widerspruch des Klägers wies er mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 20111 als unbegründet zurück.
Auf die am 11. August 2011 bei dem Sozialgericht Nordhausen erhobene Klage erkannte der Beklagte den Anspruch für die Zeit der Umschulungsmaßnahme des Klägers bis zum 18. Januar 2006 an. Er hielt im Übrigen an seiner Auffassung fest, über diesen Zeitpunkt hinaus keinen Mehrbedarf leisten zu müssen.
Das Sozialgericht Nordhausen hat mit Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2013 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch bestehe nicht, weil eine Behinderung allein nicht ausreiche. Vielmehr setze das Gesetz die tatsächliche Erbringung von Teilhabeleistungen voraus. Nur wer an einer Maßnahme teilnimmt, dem entstehe ein Aufwand, der durch den Anspruch pauschal abgegolten werden soll. Das Sozialgericht stellt fest, dass über den 18. Januar 2006 hinaus keine Teilhabeleistungen tatsächlich erbracht worden sind. Zwar könne auch nach Beendigung noch weiterhin Mehrbedarf gewährt werden, allerdings sei das mangels Anschlussbeschäftigung ausgeschlossen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 14. Juni 2013 erhobenen Berufung. Er meint, die Beklagte habe erst mit dem Feststellungsbescheid vom 12. Oktober 2010 die Einstellung der Leistungen verfügt. Das zeige, dass bis dahin Leistungen zur Eingliederung auch erbracht worden seien. Das Sozialgericht habe die Akte … nicht beigezogen, aus der sich dies ergebe. Der Beklagte müsse, wei...