Entscheidungsstichwort (Thema)

Auf ein prozessuales Pfändungsverbot, z B §§ 850b, 850d, 850f Abs. 2, 3 ZPO kann sich der Drittschuldner im Rechtsstreit nicht selbständig berufen)

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 767 ZPO ist gem. § 120 Abs. 1 FamFG auf die Vollstreckung in Familienstreitsachen anwendbar.

2. Der Pfändungsbeschluss ist auch bei einem Verstoß gegen ein Pfändungsverbot nicht wirkungslos oder nichtig, sondern nur anfechtbar; er ist bis zur Aufhebung auf ein Rechtsmittel vom Schuldner und vom Drittschuldner zu beachten (BGH NJW-RR 2009, 211).

3. Den Drittschuldner schützt § 836 Abs. 2 ZPO; zu seinen Gunsten gilt der zu Unrecht erlassene Überweisungsbeschluss bis zu seiner Aufhebung als rechtsgültig.

4. Der Drittschuldner kann bei seiner Inanspruchnahme die Unpfändbarkeit der vom Gläubiger geltend gemachten Forderung nur eingeschränkt geltend machen, wenn diese nicht auf eine prozessuale Bestimmung gestützt wird, sondern in dem materiellen Schuldverhältnis ihren Grund hat.

5. Der Drittschuldner kann im Prozess mit dem Gläubiger die Unpfändbarkeit des gepfändeten Anspruchs nicht geltend machen, wenn dieser lediglich gem. §§ 850b Abs. 2, 850c ZPO relativ unpfändbar ist.

 

Normenkette

FamFG §§ 58, 111 Nr. 8, § 63 Abs. 1, § 112 Nr. 1, §§ 117, 120 Abs. 1; ZPO §§ 767, 836 Abs. 2, § 850b Abs. 2, § 850c

 

Verfahrensgang

AG Bad Salzungen (Beschluss vom 15.11.2011; Aktenzeichen 1 F 278/11)

 

Tenor

1. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Salzungen vom 10.11.2011 - 1 F 278/11, wird abgeändert:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Salzungen vom 29.4.2011 - 1 F 478/10, wird für unzulässig erklärt.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens vor dem AG zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5250 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten war beim AG - Familiengericht - Bad Salzungen zu dem Az. 1 F 478/10 ein einstweiliges Anordnungsverfahren zur Zahlung von Trennungsunterhalt rechtshängig. In diesem Verfahren hat das AG Bad Salzungen am 29.4.2011 die Antragstellerin im Beschlusswege verpflichtet, an den Antragsgegner ab Rechtshängigkeit des Antrages auf Erlass der einstweiligen Anordnung (16.11.2010) einen monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 750 EUR für die Dauer von neun Monaten zu zahlen.

Eine Gläubigerin des Antragsgegners, Frau B. A., hat beim AG Salzungen zu dem AZ. 2 M 501/11 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, der am 23.4.2011 ausgefertigt und der Antragstellerin und dem Antragsgegner am 27.4.2011 zugestellt wurde. Gepfändet wurden von der Gläubigerin gegenüber der Antragstellerin als Drittschuldnerin Ansprüche des Schuldners auf Trennungsunterhalt und künftigen nachehelichen Unterhalt. Das vorläufige Zahlungsverbot ist der Antragstellerin am 11.4.2011 zugestellt worden

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde in Höhe eines Betrages von 24286,24 EUR ohne Hinweise auf Pfändungsschutzvorschriften erlassen.

Die Antragstellerin hat, nachdem sie von dem Beschluss des AG Bad Salzungen vom 29.4.2011 Kenntnis erlangt hat, die Forderung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Bad Salzungen in Höhe des rückständigen Trennungsunterhalts für den Zeitraum November 2010 bis Mai 2011 von (7 Monate à 750 EUR =) 5250 EUR erfüllt und den Betrag an die Gläubigerin am 7.5.2010 überwiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 20.5.2011 die Zwangsvollstreckung angedroht. Der Antragsgegner hat weiter durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Bad Salzungen vom 8.6.2011 - 2 M 730711, die Honorare der Antragstellerin bei der D. Z. R. GmbH in S. gepfändet.

Das AG Bad Salzungen hat mit Beschluss vom 7.6.2011

1. die erfolgte Pfändung der Forderung des Schuldners auf Auszahlung des Guthabens bei der Drittschuldnerin in Höhe eines Teilbetrages von 750 EUR vorab wieder aufgehoben,

2. die Vollstreckung aus genanntem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich künftiger Ehegattenunterhaltszahlungen i.H.v. 750 EUR einstweilen eingestellt.

In der Begründung heißt es: "Dem Schuldner steht ein Pfändungsfreibetrag nach §§ 850a, 850c ZPO von 989,99 EUR monatlich zu. Da die Pfändung auch künftige Unterhaltszahlungen betrifft, war sie antragsgemäß i.H.v. 750 EUR bis zur Endentscheidung einzustellen.

Das AG hat im vorliegenden Verfahren die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des AG Bad Salzungen vom 29.4.2011 gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 5250 EUR bis zu einer Endentscheidung vorläufig eingestellt (§§ 719, 707, 700 ZPO, Bl. 56d A).

Die Antragstellerin hat vorgetragen, nach § 836 ZPO sei ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, auch wenn er zu Unrecht erlassen wurde, weil z.B. Pfändungsschutzvorschriften nicht beachtet wurden, zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig anzusehen, bis er aufgehoben werde und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelange.

Sie habe den Beschluss des AG Bad Salzungen vom 29.4.2011 für den Zeitraum November 2010 bis einschließlich Mai 2011...

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