Rz. 160
Die Systematisierung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten wird in unterschiedlichster Weise vorgenommen. Die Vielgestaltigkeit der einzelnen denkbaren Nebenpflichten erlaubt es nur, die Bereiche einiger praktisch relevanter Nebenpflichten hervorzuheben:
9.2.2.1 Verschwiegenheit
Rz. 161
Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich – auch ohne explizite vertragliche Festschreibung – eine Pflicht für den Arbeitnehmer, über ihm bekannt gewordene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Verschwiegenheit zu bewahren. Dabei liegt ein Betriebsgeheimnis vor, wenn Tatsachen im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind, nach dem Willen des Arbeitgebers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden. Aus der Rspr. des BAG kann ebenfalls abgeleitet werden, dass technische Tatsachen bereits dann nicht offenkundig sind, wenn ihre Analyse für ausgebildete Fachkräfte einen mittleren Schwierigkeitsgrad bietet und ihre sinnvolle Verwendung nicht ohne Detailkenntnisse und erst nach entsprechenden Überlegungen und Untersuchungen möglich ist. Der Wille des Arbeitgebers zur Geheimhaltung muss sich für den Arbeitnehmer erkennbar – auch konkludent – geäußert haben.
Rz. 162
Ein Arbeitnehmer ist auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, Verschwiegenheit über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse seines Arbeitgebers zu bewahren. Bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht während der Dauer des Arbeitsverhältnisses kommen sowohl Abmahnung als auch (ordentliche und außerordentliche) Kündigung in Betracht. Aber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Sanktionen eintreten: In schwerwiegenden Fällen kann sich der Verpflichtete nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig machen. Möglich ist auch, dass die Arbeitsvertragsparteien die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht mit einer Vertragsstrafe bewehrt haben. Die Mitteilung von Informationen aus dem Geschäftsbereich des Arbeitgebers an Konkurrenten ist i. d. R eine Verletzung der dem Arbeitnehmer obliegenden Verschwiegenheitspflicht und schon ein diesbezüglicher dringender Verdacht ist an sich geeignet, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Als besonderer Straftatbestand, dem auch Arbeitnehmer unterfallen, ist § 17 UWG zu beachten.
9.2.2.2 Einhaltung der betrieblichen Ordnung
Rz. 163
Unter den Sammelbegriff der Einhaltung der betrieblichen Ordnung wird eine Vielzahl unterschiedlicher Nebenpflichten gefasst, die die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers, sich innerhalb des Betriebs "ordnungsgemäß" zu verhalten, ausfüllen. Damit ist nicht allein das Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, sondern insbesondere auch gegenüber den anderen Arbeitnehmern gemeint.
9.2.2.3 Wettbewerb
Rz. 164
Für Zulässigkeit, Voraussetzungen, Inhalt und Folgen eines Wettbewerbsverbots ist danach zu unterscheiden, ob das Arbeitsverhältnis besteht oder beendet ist.
9.2.2.3.1 Wettbewerbsverbot bei bestehendem Arbeitsverhältnis
Rz. 165
Das BAG hat ein an den Arbeitnehmer gerichtetes Verbot, mit dem Arbeitgeber während Bestehens des Arbeitsverhältnisses in Wettbewerb zu treten, aus einer aus dem Arbeitsvertrag folgenden Neben- bzw. Treuepflicht hergeleitet. Es besteht mithin auch dann, wenn der Einzelarbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelungen enthält. Eine eigene gesetzlich schadensersatzbewehrte Regelung eines Verbots zum Betrieb eines Handelsgewerbes findet sich für Handlungsgehilfen in den §§ 60, 61 HGB. Nach ständiger Rspr. konkretisieren diese Vorschriften einen allgemeinen Rechtsgedanken, der seine Grundlage bereits in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat. Danach soll der Arbeitgeber vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein, weshalb der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot einschließt. Dieser Gedanke findet sich mit § 241 Abs. 2 BGB nunmehr ausdrücklich im Gesetz wieder. Das Verbot des § 60 HGB ist ebenso wie § 241 Abs. 2 BGB dispositiv und kann sowohl erweitert als auch abbedungen werden.
Rz. 166
Der Sinn und Zweck des Verbots kann in unterschiedlicher Weise definiert werden: Zum einen kann er in der Verhinderung der (auch nur abstrakten) Gefahr liegen, dass der Arbeitnehmer, der im Rahmen der Erbrin...