Cesare Vannucchi, Dr. Brigitta Liebscher
Rz. 717
Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber einen Arbeitskräfteüberhang etwa durch den Abbau von Überstunden, das Vorziehen von Werksferien oder die Beendigung von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen überbrücken kann.
Im Bestehen von Überstunden kommt regelmäßig ein ständiger Personalbedarf zum Ausdruck. Das gilt nur dann nicht, wenn die Mehrarbeit erforderlich ist, um eine termingebundene Arbeit abzuschließen. Insbesondere flexible Arbeitszeitregelungen, die auf der Grundlage einer Jahresarbeitszeit den Aufbau ganz erheblicher Stundenguthaben ermöglichen, können einer betriebsbedingten Kündigung in arbeitsschwachen Zeiten entgegenstehen oder zumindest das Erfordernis zeitlich hinausschieben. Die alternative Maßnahme muss sich konkret auf den betroffenen Arbeitsplatz beziehen. So kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nicht allgemein entgegenhalten, es würden im Betrieb nach wie vor erhebliche Überstunden anfallen, wenn diese nicht den arbeitsplatzbezogenen Arbeitskräfteüberhang betreffen.
Im Hinblick auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern bejaht zumindest die wohl überwiegende Ansicht die Pflicht des Arbeitgebers, Leiharbeit vor dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen abzubauen, wenn im Betrieb Leiharbeitnehmer dauerhaft oder zumindest längerfristig eingesetzt werden. Es würde ansonsten ein nicht zu rechtfertigender Widerspruch gegenüber der Unzulässigkeit von Austauschkündigungen entstehen. Der Arbeitgeber muss somit ggf. Überlassungsverträge mit dem Verleiher kündigen.
Werden Leiharbeitnehmer dagegen lediglich zur Abdeckung von Auftragsspitzen eingesetzt, können durch einen Abbau keine anderweitigen dauerhaften Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Rz. 718
Ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, zur Vermeidung von Kündigungen Kurzarbeit einzuführen, ist noch nicht abschließend entschieden und in der Literatur umstritten.
Teilweise wird angenommen, die Einführung von Kurzarbeit liege im unternehmerischen Ermessen und ein Verzicht auf Kurzarbeit könne nur auf Willkür oder Unsachlichkeit geprüft werden. Das BAG hat, nachdem es den Arbeitgeber ursprünglich für verpflichtet hielt, die Möglichkeit der Kurzarbeit in die – inzwischen bei der betriebsbedingten Kündigung aufgegebene – Interessenabwägung einzubeziehen, in einer Reihe von Entscheidungen ebenfalls auf die eingeschränkte Nachprüfbarkeit des unternehmerischen Konzepts hingewiesen , vereinzelt die Frage des Vorrangs der Kurzarbeit vor einer Beendigungskündigung ausdrücklich offengelassen oder herausgearbeitet, dass die erfolgte Einführung von Kurzarbeit ein Indiz für einen nur vorübergehenden Rückgang des Beschäftigungsbedarfs darstellt.
Rz. 719
Die Einführung von Kurzarbeit kommt nur dann in Betracht, wenn ein vorübergehender Arbeitsausfall vorliegt (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Ist ein solcher gegeben und sind auch die weiteren betrieblichen (§ 97 SGB III) und persönlichen Voraussetzungen (§ 98 SGB III) für die Kurzarbeit erfüllt, ist eine Kündigung grundsätzlich mangels eines dauerhaft prognostizierten Rückgangs des Beschäftigungsbedarfs ausgeschlossen. Somit verlangt das kündigungsschutzrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass sich der Arbeitgeber bei einem lediglich vorübergehenden Wegfall des Beschäftigungsbedarfs um die Einführung von Kurzarbeit bemüht.
Erst wenn die Einführung von Kurzarbeit aufgrund einer Verweigerungshaltung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) oder der Arbeitnehmer gescheitert ist, zur Anrufung der Einigungsstelle ist der Arbeitgeber bei Bestehen eines Betriebsrats allerdings nicht verpflichtet, kann der Arbeitgeber trotz eines nur vorübergehenden Rückgangs des Arbeitskräftebedarfs Beendigungskündigungen aussprechen. Er muss diese allerdings, um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu entsprechen, mit einem Wiedereinstellungsangebot für die prognostizierte Zeit des Wiederanstiegs des Beschäftigungsbedarfs verknüpfen. Alternativ kann er Änderungskündigungen mit einer befristeten Reduzierung der Arbeitszeit aussprechen. Überschießend wären unbefristete Änderungskündigungen oder eine entsprechend geringere Anzahl von Beendigungskündigungen ohne Wiedereinstellungsangebot, da die Einschränkung des Beschäftigungsbedarfs gerade nur vorübergehend ist.
Hieran anknüpfend muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess, wenn er Beendigungskündigungen ohne Wiedereinstellungsangebot erklärt hat, darlegen, warum er die betriebsbedingte Kündigung nicht durch die Einführung von Kurzarbeit "vermeiden" konnte, sofern sich der Arbeitnehmer auf diese Möglichkeit beruft. Dazu sind die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig gerade auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist.
Wird Kurzarbeit geleistet, so spricht dies dafür, dass nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf auszugehen ist. Dieses Indiz muss dann vom Arbeitgeber durch k...