2.1 Voraussetzungen
2.1.1 Fortbestehendes Arbeitsverhältnis
Rz. 4
Voraussetzung für das Wahlrecht des Arbeitnehmers ist, dass gerichtlich rechtskräftig festgestellt wird, dass die vom Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat, sondern dass dieses fortbesteht. Dabei ist gleichgültig, ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung handelt. Für die außerordentliche Kündigung verweisen § 13 Abs. 1 Satz 5 KSchG und für eine sittenwidrige Kündigung § 13 Abs. 2 KSchG auf § 12 KSchG.
Rz. 5
Das Wahlrecht besteht auch, wenn das Gericht einen vom Arbeitnehmer gestellten Auflösungsantrag abgewiesen hat. Eine Zumutbarkeitsprüfung findet im Rahmen des § 12 KSchG nicht statt.
Stellt das Gericht die Sozialwidrigkeit der vom Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage angegriffenen Kündigung(en) fest, löst es aber das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Auflösungsantrags des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers nach § 9 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung auf, ist § 12 KSchG nicht anwendbar. In diesem Fall besteht das alte Arbeitsverhältnis nicht fort. Das Auflösungsurteil löst es zu dem Zeitpunkt auf, zu dem es bei wirksamer Kündigung geendet hätte.
Rz. 6
Voraussetzung für die Anwendung von § 12 KSchG ist darüber hinaus, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits aus anderen Gründen beendet wurde, z. B. durch das Ende einer wirksamen Zeitbefristung, durch eine weitere, wirksame Arbeitgeberkündigung oder durch eine zwischenzeitliche Arbeitnehmerkündigung. In diesen Fällen wäre eine Beendigungserklärung i. S. v. § 12 KSchG gegenstandslos.
2.1.2 Eingehen eines neuen Arbeitsverhältnisses
Rz. 7
Der Arbeitnehmer muss nach Zugang der Kündigung und vor der Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzverfahren ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen sein. Bei einem erst nach Rechtskraft des aus der Perspektive des Arbeitnehmers obsiegenden Urteils eingegangenen Arbeitsverhältnis greift § 12 KSchG nicht.
Auf die Art des neuen Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an; in Betracht kommen daher z. B. ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis, ein Probearbeitsverhältnis, ein Teilzeitarbeitsverhältnis sowie ein Leiharbeitsverhältnis.
Rz. 8
Nach dem Wortlaut von § 12 Satz 1 KSchG muss der Arbeitnehmer ein neues "Arbeitsverhältnis" eingegangen sein. Aufgrund der Interessenlage gilt die Vorschrift allerdings entsprechend, wenn der Arbeitnehmer ein Dienstverhältnis als Organmitglied einer juristischen Person, d. h. z. B. als GmbH-Geschäftsführer oder Vorstand einer AG oder eG eingegangen ist. Auch wenn der Arbeitnehmer ein Ausbildungsverhältnis eingegangen ist, hat er das Wahlrecht nach § 12 KSchG.
Rz. 9
Das Sonderkündigungsrecht nach § 12 KSchG steht dem Arbeitnehmer nicht zu, wenn er während des Kündigungsschutzprozesses eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hat. In der Literatur wird zwar teilweise eine entsprechende Anwendung der Vorschrift befürwortet. Der Arbeitnehmer, der nach Erhalt der Kündigung eine selbstständige Gewerbe- oder Berufstätigkeit (etwa als Handelsvertreter) aufgenommen habe, befinde sich in einer ähnlichen Interessen- und Pflichtkollision wie bei der zwischenzeitlichen Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
Das BAG hat dieser Auffassung aber eine Absage erteilt. Nach dem BAG macht der systematische Zusammenhang zwischen §§ 12 und 11 KSchG deutlich, dass der in § 12 KSchG verwendete Begriff des "Arbeitsverhältnisses" wörtlich zu nehmen ist und deshalb eine planwidrige Lücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorliegt. Außerdem beruhen die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit typischerweise auf sehr unterschiedlichen Motiven des Arbeitnehmers, weshalb keine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ist wegen der damit regelmäßig verbundenen Notwendigkeit finanzieller Aufwendungen i. d. R. nicht nur für eine vorübergehende Zeit beabsichtigt. Schließlich besteht nur bei Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses die aus der persönlichen Abhängigkeit folgende besondere Pflichtenkollision, die durch das Sonderkündigungsrecht nach § 12 KSchG beseitigt werden soll.
Die Nichtfortsetzungserklärung eines Selbstständigen ist regelmäßig in eine ordentliche Kündigung zum nächst möglichen Termin umzudeuten.
Rz. 10
Der Arbeitnehmer muss das neue Arbeitsverhältnis "eingegangen" sein. Dies bedeutet, er muss den Arbeits-, Dienst- oder Ausbildungsvertrag rechtswirksam abgeschlossen haben. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass er die Arbeit bereits tatsächlich aufgenommen hat; unbeachtlich ist auch, wenn der Vertragsbeginn erst nach der Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzverfahren li...