3.1 Rechtsnatur des Antrags
Rz. 15
Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG setzt einen Antrag einer Partei voraus. Eine Auflösung von Amts wegen durch das Gericht ist nicht möglich.
Regt das Arbeitsgericht in Kündigungsschutzklagen im Rahmen der Vergleichsverhandlungen eine Beendigung gegen Abfindungszahlung an, so liegt darin weder eine Aufforderung zur Antragstellung nach § 9 KSchG noch eine Bewertung möglicher Auflösungsgründe.
Rz. 16
Eine bestimmte Antragsformulierung ist nicht vorgeschrieben. Es ist nicht erforderlich, die Höhe der Abfindung zu beziffern, da das Arbeitsgericht über die Höhe von Amts wegen zu befinden hat (näher Rz. 62).
Muster Auflösungsantrag
Es wird beantragt, das Arbeitsverhältnis zum (Zeitpunkt nach § 9 Abs. 2 KSchG) aufzulösen und den Beklagten zur Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu verurteilen.
Rz. 17
Zulässig ist es, ergänzend aufzunehmen, dass die Abfindung einen bestimmten Betrag nicht überschreiten (bei arbeitgeberseitigem Antrag) oder nicht unterschreiten sollte (bei arbeitnehmerseitigem Antrag). Es genügt jedoch auch die Angabe der Vorstellungen zur Höhe der Abfindung in der Antragsbegründung. Bei Aufnahme im Antrag kann jedoch eindeutiger festgestellt werden, ob eine Partei durch das Urteil beschwert ist und deshalb Berufung einlegen kann.
Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können den Antrag von einem bestimmten Höchst- oder Mindestbetrag abhängig machen, da eine solche prozessuale Bedingung unzulässig wäre.
Rz. 18
Bei dem Antrag des Arbeitnehmers handelt es sich um einen unechten Hilfsantrag, da dieser für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage gestellt wird.
Der Antrag des Arbeitgebers ist ein echter Hilfsantrag, wenn er für den Fall gestellt wird, dass der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage obsiegt. Als Hauptantrag ist der Auflösungsantrag gestellt, wenn der Arbeitgeber die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung akzeptiert oder anerkennt und damit nicht die Beendigung durch die Kündigung anstrebt, vielmehr allein die Auflösung nach § 9 KSchG.
3.2 Zeitpunkt der Antragstellung
Rz. 19
Auch wenn es sich bei dem Auflösungsantrag um eine Prozesshandlung handelt, versteht das BAG die Auflösung nach § 9 KSchG als ein eigenständiges prozessuales Institut des Kündigungsschutzrechts mit damit verbundenen Besonderheiten.
Rz. 20
Der Auflösungsantrag kann zeitgleich mit Erhebung der Kündigungsschutzklage gestellt werden. Die Antragstellung ist jedoch nach § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz möglich. Angesichts dieser Sonderregelung als lex specialis bedarf die Antragstellung weder der Einwilligung der Gegenseite noch der Zulassung durch das Gericht gem. §§ 263, 533 ZPO. Auch scheidet eine Zurückweisung wegen verspäteter Antragstellung aus. Eine erstmalige Antragstellung in der Berufungsinstanz ist daher auch dann möglich, wenn die vorgebrachten Auflösungsgründe bereits erstinstanzlich vorlagen. In der Revisionsinstanz kann ein Auflösungsantrag auch mit Zustimmung der Gegenseite nicht mehr gestellt werden.
Der Zeitpunkt der Antragstellung ist häufig von taktischen Überlegungen geprägt.
So möchten Arbeitnehmer nicht immer frühzeitig offenlegen, dass es ihnen nicht um die Weiterbeschäftigung, sondern um die Zahlung einer Abfindung geht.
Über die Kündigungsschutzklage und den Auflösungsantrag wird normalerweise zeitgleich entschieden (hierzu unten Rz. 61). Auflösungsanträge, die erst in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, können dazu führen, dass ein Fortsetzungstermin anberaumt wird. Dadurch ergibt sich die gewollte Möglichkeit, auch ergänzend zu den Kündigungsgründen vortragen zu können.
Rz. 21
Die "Rücknahme" der Kündigung im Kündigungsschutzprozess durch den Arbeitgeber steht einem danach gestellten Auflösungsantrag des Arbeitnehmers nicht entgegen. In der Erhebung einer Kündigungsschutzklage liegt nicht die antizipierte Zustimmung zum Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung.
Der Arbeitgeber kann sich einer drohenden Auflösung auf Antrag des Arbeitnehmers weder durch eine "Rücknahme" noch durch ein Anerkenntnis der Unwirksamkeit der Kündigung entziehen.
Rz. 22
Die Rücknahme eines Auflösungsantrags folgt den gleichen Grundsätzen wie die Stellung des Antrags. Sie ist bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz zulässig und bedarf nicht der Zustimmung der Gegenseite, da keine teilweise Klagerücknahme i. S. v. § 269 ZPO vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn dem Auflösungsantrag erstinstanzlich stattgegeben wurde. Wird mit dem BAG die Rücknahme eines Auflösungsantrags als besonderer Anwendungsfall des § 264 Nr. 2 ZPO verstanden, ist zumindest mit Einwilligung der Gegenseite die Rücknahme auch im Revisionsverfahren möglich.
Rz. 23
In der Rücknahme eines Auflösungsantrags liegt regelmäßig auch kein Klageverzicht nach § 306 ZPO. Eine erneute Antragstellung ist daher möglich...