5.1 Entscheidungsmöglichkeiten
Rz. 60
Wird in einem Kündigungsschutzprozess ein Auflösungsantrag gestellt, so bestehen 3 Entscheidungsmöglichkeiten:
- Ist die Kündigung sozial gerechtfertigt, wird die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Der Auflösungsantrag wird nicht entschieden und im Urteilstenor nicht erwähnt.
- Der Kündigungsschutzklage wird stattgegeben, der Auflösungsantrag ist jedoch nicht begründet. Beides wird im Tenor aufgenommen.
- Der Kündigungsschutzklage und dem Auflösungsantrag werden stattgegeben. In diesem Fall genügt es, wenn im Tenor die Auflösung mit Auflösungszeitpunkt und Höhe der Abfindung aufgenommen wird. Eine Feststellung zur Kündigungsschutzklage im Tenor ist nicht erforderlich. Eine Aufnahme ist jedoch unschädlich und macht die Entscheidung für die Parteien klarer.
Rz. 61
Über die Rechtswirksamkeit der Kündigung und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung kann nach überwiegender Meinung nur einheitlich entschieden werden. Eine Aufteilung der Entscheidung in ein Teilurteil wegen Unwirksamkeit der Kündigung und ein Schlussurteil wegen Auflösung gegen Abfindung ist danach grds. nicht zulässig. Eine Ausnahme lässt das BAG für den Fall eines Teilanerkenntnisurteils über die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu. Die Trennung muss aus prozessualen Gründen unumgänglich sein.
Die gebotene Einheitlichkeit der Entscheidung kann dazu führen, dass ein Auflösungsantrag nur aus taktischen Gründen gestellt wird (hierzu oben Rz. 20).
Wohl auch aus diesem Grund wird inzwischen vermehrt und mit guten Gründen die Auffassung vertreten, dass Kündigungsschutzklage und Auflösungsantrag getrennt entschieden werden können und über die Kündigungsschutzklage vorab ein Teilurteil möglich ist.
Rz. 62
Mit der Auflösung hat das Gericht eine Abfindung festzusetzen. An bezifferte Anträge ist das Gericht nicht gebunden. Die angemessene Abfindung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG wird durch das Gericht festgesetzt. In Abweichung von § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann auch eine höhere als eine beantragte Abfindung festgesetzt werden.
5.2 Beendigungszeitpunkt
Rz. 63
Als Beendigungszeitpunkt ist nach § 9 Abs. 2 KSchG zwingend der Zeitpunkt festzulegen, zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Abzustellen ist daher auf die ordentliche Kündigungsfrist, und zwar auch bei einer nicht fristgerechten Kündigung. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nicht gerügt hat. Hat der Arbeitgeber mit einer längeren Frist gekündigt, so gilt diese, weil zu diesem Zeitpunkt bei sozial gerechtfertigter Kündigung das Arbeitsverhältnis geendet hätte (zur Problematik Beendigungszeitpunkt und Beurteilungszeitpunkt s. oben Rz. 32).
Hat sich ein Rechtsstreit über eine längere Zeit hingezogen, so kann die rückwirkende Auflösung zum Wegfall möglicher Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug führen. Gleichwohl ist die Vorschrift nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BAG trotz der Rückwirkung angesichts der strengen Anforderungen an den Auflösungsgrund verfassungsgemäß. Die Bestimmung dient dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen an einer Fortsetzung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses und greift nicht in grundgesetzwidriger Weise in die Eigentumsrechte des Arbeitnehmers ein.
Der Wegfall von Vergütungsansprüchen aus Annahmeverzug kann bei der Höhe der festzusetzenden Abfindung berücksichtigt werden.
Rz. 64
Ist eine außerordentliche und hilfsweise eine ordentliche Kündigung im Streit, kann der Arbeitnehmer wählen, ob er die Auflösung zum Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung oder zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung beantragt. Dem Arbeitgeber bleibt nur die Möglichkeit, den Auflösungsantrag in Bezug auf die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zu stellen.
Rz. 65
Sind mehrere Kündigungen Gegenstand von Kündigungsschutzklagen, handelt es sich bei den auf die unterschiedlichen Kündigungen bezogenen Auflösungsanträgen um unterschiedliche Streitgegenstände. Daher ist zunächst der zeitlich vorhergehende Auflösungsantrag vor Kündigungsschutzklagen über Folgekündigungen und darauf bezogenen Auflösungsanträgen zu entscheiden. Gleiches gilt bei mehreren Kündigungsschutzanträgen in einem Verfahren.
Beispiel
In einer Kündigungsschutzklage macht der Arbeitnehmer die fehlende soziale Rechtfertigung von einer ordentlichen Kündigung vom 19...