1 Allgemeines

 

Rz. 1

EG 88 Satz 1 HinSch-RL stellt klar: Der Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien ist für einen wirksamen Hinweisgeberschutz essenziell. Die Besorgnis, Repressalien ausgesetzt zu sein, schreckt viele Hinweisgeber davon ab, ihren Verdacht oder ihre Bedenken gegenüber einer Meldestelle mitzuteilen. Das Repressalienverbot dagegen soll Dritte präventiv davon abschrecken, nachteilige Maßnahmen gegenüber dem Hinweisgeber zu treffen und Hinweisgeber auf diese Weise ermuntern, entsprechende Mitteilungen doch zu machen. Umgesetzt wird auf diese Weise die Vorgabe des Art. 19 HinSch-RL.[1]

§ 36 HinSchG verbietet in Satz 1 Repressalien, die gegen hinweisgebende Personen gerichtet sind. Gleiches gilt mit Blick auf Satz 2 bereits für die Androhung oder den Versuch, Repressalien auszuüben. Es handelt sich hierbei um einen anti-diskriminierungsrechtlichen Whistleblower-Schutz.[2] Komplettiert wird das präventive Verbot von § 37 HinSchG, welcher die Pflicht zu Schadenersatzleistung bei einer Verletzung des Repressalienverbots auslöst, sowie von dem Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 40 Abs. 2 Nr. 3 HinSchG.

§ 36 Abs. 2 HinSchG regelt die Grundsätze der Beweislast im Falle einer Benachteiligung.[3] Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift wird vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie ist, wenn eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet und aktiv geltend macht, diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben. Der die Benachteiligung Ausübende muss dann beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basiert oder nicht auf der Meldung oder Offenlegung des Benachteiligten beruht. Es handelt sich letztlich um eine Beweislastumkehr, die die HinSch-RL in EG 93 damit begründet, dass für Repressalien oftmals andere Ursachen als die erfolgte Meldung vorgebracht werden. Für den Hinweisgeber kann es daher sehr schwer sein, den Zusammenhang zwischen der Meldung und den Repressalien nachzuweisen. Zudem kann der Benachteiligende größere Möglichkeiten und Ressourcen aufbringen, sein eigenes Vorgehen zu dokumentieren.[4]

[1] BT-Drucks. 20/3442 S. 95
[2] Thüsing/Thüsing/Peisker, 1. Aufl. 2024, § 36 HinSchG Rz. 1; Colneric/Gerdemann, Die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht, S. 21; Gerdemann, RdA 2019, 16, 22
[3] BT-Drucks. 20/3442 S. 95
[4] So auch BT-Drucks. 20/3442 S. 96

2 Voraussetzungen des Repressalienverbots

 

Rz. 2

Die Anwendungsvoraussetzungen für das Repressalienverbot regeln § 33 und § 34 HinSchG. Für das Eingreifen des Repressalienverbots müssen sämtliche tatbestandliche Schutzvoraussetzungen des HinSchG, insbesondere die der §§ 1, 2 HinSchG gegeben sein.[1]

Vor Repressalien geschützt sind nach § 33 HinSchG zunächst die Hinweisgeber selbst. Verstrickte Hinweisgeber, die an dem Verstoß selbst also beteiligt waren, nimmt das HinSchG aus dem Schutzbereich nicht aus. Auch sie können sich auf das Benachteiligungsverbot berufen.[2] Ebenfalls geschützt sein soll nach teilweise vertretener Ansicht in analoger Anwendung des § 36 HinSchG der vermeintliche Hinweisgeber, gegen den irrtümlicherweise Maßnahmen ergriffen werden.[3]

§ 34 HinSchG erweitert den persönlichen Anwendungsbereich auf weitere geschützte Personen. § 34 Abs. 1 HinSchG erfasst dabei auch solche Personen, die den Hinweisgeber bei der Meldung oder Offenlegung im beruflichen Kontext unterstützen.[4]

§ 34 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG hingegen erstreckt den Anwendungsbereich auf Dritte, die zwar keine unterstützende Handlung bei der Meldung oder Offenlegung vornehmen, die aber mit der hinweisgebenden Person in Verbindung stehen und im beruflichen Zusammenhang Repressalien erleiden können. Nr. 2 erweitert den Anwendungsbereich zudem auf Gesellschaften, die im Eigentum des Hinweisgebers stehen oder für die der Hinweisgeber arbeitet oder mit denen er in einem beruflichen Kontext anderweitig in Verbindung steht.

 

Rz. 3

Adressat und Verplichteter des Repressalienverbots ist im Gegensatz dazu jeder, der Repressalien im beruflichen Kontext anknüpfend an die Meldung oder Offenlegung vornimmt. Eine inhaltliche Einschränkung auf einen bestimmten Adressatenkreis enthält die Norm, anders als auf Seite der Passivlegitimation, nicht.[5]

Die Vorschrift untersagt jedes nachteilige Anknüpfen an die Meldung oder Offenlegung im beruflichen Kontext unabhängig davon, wer die Benachteiligung vornimmt (etwa Beschäftigungsgeber, Dienstberechtigte, Auftraggeber oder sonstige Organisationen, mit denen der Hinweisgeber oder der geschützte Dritte in beruflichem Kontakt steht, Kollegen, Führungskräfte derselben Organisation oder anderer Organisationen, Zeitarbeitsfirmen). Ebenfalls untersagt sind nach Abs. 1 Satz 2 die Androhung oder der Versuch der Ausübung von Repressalien.[6]

[1] BeckOK HinSchG/Colneric/Gerdemann, 1. Ed., § 36 HinSchG, Rn. 6.
[2] Brobeil, Die Auswirkungen der Richtlinie (EU) 2019/1937 auf Arbeitnehmer-Hinweisgeber, S. 204 f.
[3] Brobeil, Die Auswirk...

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