Rz. 20
Wirtschaftlich gesehen ist die Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld im Wesentlichen eine Vorleistung auf die Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers. Nach § 115 SGB X geht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung in der Höhe, in der Arbeitslosengeld geleistet wurde, auf die Agentur für Arbeit über. Dies erklärt sich aus dem allgemeinen Prinzip, wonach Aufwendungen einer Versicherung auf den beim Versicherten eingetretenen Schaden begrenzt werden, indem Ansprüche des Versicherten, die das versicherte Risiko betreffen, in Höhe der Versicherungsleistung auf die Versicherung übergehen (vgl. § 116 SGB X sowie § 86 VVG). Dabei erfolgt der Anspruchsübergang im Augenblick der Zahlung des Arbeitslosengeldes, ohne dass es dazu einer besonderen Anzeige bedarf. Insbesondere bedarf dieser Anspruchsübergang keines Verwaltungsakts. § 115 SGB X setzt allerdings stets voraus, dass die Leistungen tatsächlich erbracht worden sind. Mit anderen Worten: Es kommt erst zum Anspruchsübergang, wenn die Zahlung der Sozialleistung – etwa wie hier des Arbeitslosengeldes – in Form der Gleichwohlgewährung erfolgt ist. Deshalb kommt es häufig zu einem sukzessiven Übergang jeweils in Höhe der tatsächlichen Zahlungen, sodass für den Rechtsübergang die konkreten Zahlungszeitpunkte maßgebend sind.
Rz. 21
Dagegen ist es für den Rechtsübergang unerheblich, ob die Agentur für Arbeit die Leistung ausdrücklich als Gleichwohlgewährung bezeichnet oder ob der Betreffende tatsächlich Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Wenn der Arbeitslose aber weiter Arbeitsentgelt erhält und zugleich auch Arbeitslosengeld gewährt wird, liegt keine Gleichwohlgewährung i. S. d. § 157 SGB III vor. In diesem Fall fehlt es nach h. M. auch an den Voraussetzungen für den Anspruchsübergang.
Rz. 22
Mit dem Übergang auf die Bundesagentur für Arbeit rückt diese in Bezug auf die Ansprüche auf Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung in die Rechtsstellung des Arbeitnehmers mit allen Rechten, Pflichten und Obliegenheiten ein. Auf diesen Forderungsübergang sind nach § 412 BGB u. a. die §§ 402, 404 und 406 bis 410 BGB entsprechend anwendbar. D. h. aber auch, dass sich der Arbeitgeber gegenüber der Bundesagentur für Arbeit auf Ausschlussfristen oder die Verjährung berufen kann.
Tarifliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Arbeitsentgeltansprüchen sind auch von der Agentur für Arbeit bezüglich der auf sie übergegangenen Ansprüche zu beachten. Nach § 404 BGB i. V. m. § 412 BGB kann der Schuldner (Arbeitgeber) einer gesetzlich übergegangenen Forderung dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegenhalten, die zur Zeit des Forderungsübergangs, also zur Zeit der Arbeitslosengeldzahlung, gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Um hier Ausschlussfristen und Verjährungsfristen zu wahren, ist die Agentur für Arbeit gehalten, den Anspruch rechtzeitig in einer die Verjährung unterbrechenden Weise geltend zu machen oder vom Arbeitgeber eine Erklärung einzuholen, dass er sich nicht auf evtl. Ausschluss- oder Verjährungsfristen berufen wird.
Rz. 23
Erfüllt der Arbeitgeber gegenüber der Bundesagentur für Arbeit seine Verpflichtungen, erfüllt er damit insoweit auch seine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen. Darüber hinaus wird der Arbeitgeber nach § 335 Abs. 3 SGB III von seiner Verpflichtung befreit, Beiträge an die Kranken- und Rentenversicherung zu entrichten, soweit er der Bundesagentur die im Falle des § 157 Abs. 3 SGB III geleisteten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung für dieselbe Zeit zu entrichten hat. Es handelt sich hierbei nach Auffassung des BSG jedoch nicht um einen Erfüllungseinwand, sondern um einen "Einwand der Zahlungsbefreiung".