Rz. 113

Hinsichtlich der i. S. d. § 102 BetrVG ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gilt eine abgestufte Darlegungslast (BAG, Urteil v. 16.3.2000, 2 AZR 75/99[1]). Danach hat im Prozess der Arbeitnehmer zunächst einmal die für ihn günstige Tatsache vorzutragen, dass überhaupt ein Betriebsrat besteht und deshalb nach § 102 BetrVG vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung erforderlich war. Ohne dieses Vorbringen ist das Gericht nicht berechtigt und nicht verpflichtet, das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung – von Amts wegen – zu prüfen. Auf einen entsprechenden Sachvortrag des Arbeitnehmers hin obliegt es dem Arbeitgeber darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Da die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist, trifft die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich insoweit den Arbeitgeber. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hin darf sich der Arbeitnehmer dann nicht mehr darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten. Er hat sich vielmehr nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig über den vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhalt zu erklären und im Einzelnen zu bezeichnen, ob er rügen will, der Betriebsrat sei entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden, oder in welchen einzelnen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder die dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält (BAG, Urteil v. 24.4.2008, 8 AZR 268/07[2]; BAG, Urteil v. 24.4.2008, 8 AZR 520/07[3]). Der Arbeitnehmer muss also deutlich machen, welche detaillierten Angaben des Arbeitgebers er aus welchem Grund weiterhin bestreiten will (BAG, Urteil v. 20.9.2006, 6 AZR 219/06). Dies erfordert ggf. einen ergänzenden Sachvortrag des Arbeitgebers, der gehalten sein kann, bestimmte Aspekte der Betriebsanhörung zu erläutern, zu vertiefen und bislang nur beiläufig Vorgetragenes zu präzisieren. Das beinhaltet aber auch die Möglichkeit, die den Kündigungsentschluss bestimmenden Tatsachen zu konkretisieren oder klarzustellen (BAG, Urteil v. 12.8.2010, 2 AZR 104/09[4]).

 

Rz. 113a

Hat ein Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats gerügt, hat das mit der Sache befasste Gericht die Pflicht, den Arbeitgebervortrag auch auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, auch ohne dass es ein weiteres Entgegentreten des Arbeitnehmers erforderlich wäre. Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Betriebsrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen i. S. v. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin (mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG, Urteil v. 24.5.2012, 2 AZR 206/11[5]).

[1] NZA 2000, 1332.
[2] NZA 2008, 1314.
[3] N. v.
[4] N. V.
[5] NZA 2013, 137.

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