Rz. 132
Gemäß § 112a Abs. 2 BetrVG besteht in Betrieben neu gegründeter Unternehmen in den ersten 4 Jahren nach Unternehmensgründung keine Sozialplanpflicht für alle Betriebsänderungen (nicht nur für Personalabbau). Diese Ausnahme bezieht sich nur auf den Sozialplan. Abgesehen davon bleibt es bei den Pflichten gemäß §§ 111 ff. BetrVG. Auch dann, wenn ein Unternehmen erst weniger als 4 Jahre besteht, sind mithin die Unterrichtungs- und Beratungspflicht des § 111 Abs. 1 BetrVG sowie die Verpflichtung zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs gemäß § 112 Abs. 1 – 3 BetrVG und möglicherweise Nachteilsausgleichsansprüche von Arbeitnehmern gemäß § 113 BetrVG zu berücksichtigen.
Rz. 133
Maßgeblich für die Beurteilung, wann ein Unternehmen gegründet wurde, ist der Zeitpunkt der Aufnahme einer gemäß § 138 AO dem Finanzamt mitteilungspflichtigen Erwerbstätigkeit (§ 112a Abs. 2 Satz 3 BetrVG). § 112a Abs. 2 BetrVG stellt allein auf die Neugründung von Unternehmen, nicht von Betrieben ab. Maßgeblich ist damit allein das Alter eines neu gegründeten Unternehmens, nicht das eines von ihm übernommenen Betriebs (BAG, Beschluss v. 27.6.2006, 1 ABR 18/05; BAG, Beschluss v. 22.5.1995, 10 ABR 21/94). Damit entfällt die Sozialplanpflicht, wenn ein länger als 4 Jahre bestehender Betrieb an ein neu gegründetes Unternehmen veräußert und diesem eingegliedert wird (BAG, Beschluss v. 10.12.1996, 1 ABR 32/96). Gleiches gilt, wenn ein neu gegründetes Unternehmen in den ersten 4 Jahren seit der Gründung einen Betrieb, der älter als 4 Jahre alt ist und den es übernommen hat, stilllegt (BAG, Beschluss v. 13.6.1989, 1 ABR 14/88).
Demgegenüber besteht die Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans, wenn ein länger als 4 Jahre bestehendes Unternehmen einen neuen Betrieb gegründet hat und in diesem innerhalb von 4 Jahren seit seiner Gründung Betriebsänderungen durchgeführt werden sollen.
Rz. 134
Die Befreiung von der Sozialplanpflicht gilt nicht bei Betriebsänderungen im Zusammenhang mit der
- Verschmelzung von – länger als vier Jahre bestehenden – Unternehmen zu einem neu gegründeten Unternehmen,
- Umwandlung eines bereits bestehenden Unternehmens in ein neu gegründetes Unternehmen,
- Auflösung eines älteren Unternehmens und Übertragung seines Vermögens auf ein neu gegründetes Unternehmen,
- Aufspaltung eines Unternehmens auf mehrere neu gegründete Unternehmen und
- Abspaltung von älteren Unternehmensteilen auf ein neu gegründetes Unternehmen (§ 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG).
Diese Regelung dient dazu, etwaigen Missbrauch von Unternehmensgründungen zur Vermeidung einer Sozialplanpflicht bei Betriebsänderungen zu verhindern.
Rz. 135
§ 112a Abs. 2 BetrVG ist nicht auf die Neugründung von kleinen und mittleren Betrieben beschränkt, sondern erfasst auch die Neugründung von Großunternehmen. Auch ein Großunternehmen, das zur Aufnahme einer neuen Produktion ein neues Unternehmen gründet, kann sich auf die Privilegierung des § 112a Abs. 2 BetrVG berufen, und zwar unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer in dem neu gegründeten Unternehmen beschäftigt werden.