Rz. 140
§ 112 Abs. 2 BetrVG enthält Regelungen darüber, wie zu verfahren ist, wenn die Parteien über die geplante Betriebsänderung keinen Interessenausgleich herbeiführen oder keinen Sozialplan vereinbaren können.
4.2.1 Einschaltung des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, § 112 Abs. 2 Satz 1 BetrVG
Rz. 141
Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, so können sie den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen (§ 112 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Der Vorstand kann die Aufgabe einem Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Die Vermittlung durch den Vorstand der Bundesagentur ist freiwillig; keine Seite ist zur Einlassung verpflichtet. Gelingt eine solche Vermittlung, sind Interessenausgleich und Sozialplan als freiwillige Vereinbarungen wie bei allein durch Verhandlung zustande gekommenem Interessenausgleich und Sozialplan schriftlich abzuschließen. Das Gesetz sieht aber keine Konsequenzen vor, wenn der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit nicht angerufen wird.
Rz. 142
Da kein Einlassungszwang besteht, verhindert das Vermittlungsersuchen einer Seite nicht, dass die andere Seite die Einigungsstelle anruft (LAG Hamm, Beschluss v. 15.12.2003, 10 TaBV 164/03). Mit der Anrufung der Einigungsstelle ist das Vermittlungsverfahren vor dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit beendet; dieser kann allerdings auf Ersuchen des Einigungsstellenvorsitzenden an der Verhandlung vor der Einigungsstelle teilnehmen (§ 112 Abs. 2 Satz 3).
In der Praxis wird von der Anrufung des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf die dadurch eintretende Verzögerung selten Gebrauch gemacht. Aussicht auf Erfolg dürfte ein solches Vermittlungsverfahren am ehesten haben, wenn Maßnahmen des SGB III die Einigung von Arbeitgeber und Betriebsrat erleichtern können; in diesem Fall ist es allerdings genauso möglich, einen Vertreter der örtlichen Agentur für Arbeit schon bei den Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hinzuzuziehen.
4.2.2 Einigungsstelle
4.2.2.1 Anrufung, Besetzung
Rz. 143
Gemäß § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG können Arbeitgeber und Betriebsrat die Einigungsstelle sowohl wegen eines Interessenausgleichs als auch wegen eines Sozialplans anrufen. Die Einigungsstellenverfahren wegen des Interessenausgleichs und wegen des Sozialplans müssen nicht notwendig zeitgleich vor derselben Einigungsstelle durchgeführt werden. Dennoch ist diese Vorgehensweise in der Praxis der Regelfall, nur selten wird die Einigungsstelle isoliert für einen der beiden Gegenstände angerufen.
Rz. 144
Zur Anrufung berechtigt sind beide Parteien. Anders als bei Einschaltung des Vorstands der Bundesagentur ist, wenn die Einigungsstelle von einer Seite angerufen wird, die andere Seite verpflichtet, sich an dem Einigungsstellenverfahren zu beteiligen (so LAG Berlin, Beschluss v. 4.10.1982, 9 TaBV 4/82). Allerdings ist die Einigungsstelle von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam zu bilden, in dem sie sich auf die Person des neutralen Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer pro Seite verständigen. Das gelingt nicht immer, sei es, weil unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob überhaupt eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG vorliegt, sei es, weil man sich über die Person des Vorsitzenden nicht verständigt, sei es, weil der Betriebsrat aus taktischen Gründen das Interessenausgleichsverfahren hinauszögern will. In allen diesen Fällen haben Arbeitgeber oder Betriebsrat die Möglichkeit, beim Arbeitgeber nach § 100 ArbGG die Einigungsstelle bestellen zu lassen, d. h. die Person des Vorsitzenden zu bestimmen und die Zahl der Beisitzer festzulegen. Dieses Procedere kann bis zu drei Monaten in Anspruch nehmen, wenn es durch zwei Instanzen geführt wird.
Das Arbeitsgericht lehnt die Bestellung der Einigungsstelle nur dann ab, wenn offensichtlich keine Betriebsänderung vorliegt (§ 100 ArbGG).
Rz. 145
Die Anrufung der Einigungsstelle soll möglichst frühzeitig geschehen, um unnötige Zeitverzögerungen, etwa aufgrund erforderlicher Terminabstimmungen, zu vermeiden und um ggf. ausreichend Zeit für ein gerichtliches Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG zu haben, falls eine Einigung über den Vorsitzenden nicht zustande kommt.
Da das Arbeitsgericht die Bestellung der Einigungsstelle nur ablehnt, wenn offensichtlich keine Betriebsänderung vorliegt, sollte sich der Arbeitgeber im Zweifelsfall auf die Einigungsstelle einlassen und erst in der Einigungsstelle geltend machen, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsänderung gar nicht vorliegen.
Voraussetzung ist, dass die innerbetrieblichen Verhandlungen als gescheitert anzusehen sind. Wann diese Voraussetzung erfüllt ist, beurteilt grundsätzlich jede Partei für sich. Erforderlich ist allerdings, dass ernsthafte Verhandlungen stattgefunden haben und das Scheitern dieser Verhandlungen nicht ohne...