Rz. 5
§ 119 Abs. 1 Ziff. 1 stellt zum einen die Behinderung der Wahl des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), der Bordvertretung, des Seebetriebsrats oder einer Arbeitnehmervertretung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder § 5 BetrVG unter Strafe. Strafbar ist darüber hinaus nach dieser Vorschrift die Beeinflussung einer in Satz 1 genannten Wahl durch Androhen oder Zufügen von Nachteilen oder durch Gewähren oder Versprechen von Vorteilen. Die Vorschrift schützt also sowohl die Freiheit der Willensbetätigung der Wahlbeteiligten ebenso wie des Wählers (BGH, Urteil v. 13.9.2010, 1 StR 220/09). Es handelt sich in beiden Fällen um "Erfolgsdelikte": bei der ersten Alternative liegt der Erfolg im Eintritt einer konkreten Gefährdung, bei der zweiten in der Verursachung einer geänderten Kandidatur oder Stimmabgabe.
Rz. 6
Unter einer Behinderung der Wahl ist grundsätzlich jedes Tun oder pflichtwidrige Unterlassen zu verstehen, das zu einem ungewöhnlichen Ablauf des Wahlvorgangs führt. Hierzu gehört z. B. die Verhinderung der Durchführung einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands durch unwahre Angaben (Bay OLG, Urteil v. 29.7.1980, 4 St. 173/80) sowie die bloße Behinderung der Betriebsversammlung.
Rz. 7
Eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch Zufügen oder Androhen von Nachteilen oder durch Gewähren oder Versprechen von Vorteilen liegt vor, wenn der Nachteil oder Vorteil bei objektiver Betrachtung geeignet ist, die freie Willensbildung auszuschließen oder zu erschweren. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Wahl tatsächlich beeinflusst wurde. Es reicht für die Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 Ziff. 1 vielmehr aus, wenn die freie Willensbildung infolge der Einflussnahme ausgeschlossen oder erschwert worden ist. So verstößt das Inaussichtstellen beruflicher oder finanzieller Vorteile für einzelne Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern, die dadurch zur Kandidatur bewogen werden sollen, auch dann gegen § 119 Abs. 1. Ziff. 1 BetrVG, wenn der Kandidat gar nicht gewählt wird (BGH, Urteil v. 13.9.2010, 1 StR 220/09).
Rz. 8
Eine Wahlbeeinflussung, die ohne Androhung oder Zufügen von Nachteilen und ohne Gewähren oder Versprechen von Vorteilen erfolgt, ist zulässig. Zulässig ist auch eine Wahlpropaganda zugunsten eines bestimmten Kandidaten (LAG Köln, Beschluss v. 15.10.1993, 13 TaBV 36/93). Gleiches gilt für eine Wahlpropaganda, die zum Ziel hat, dass überhaupt kein Betriebsrat gewählt wird. Den Arbeitgeber trifft allerdings eine Neutralitätspflicht, er darf daher keine Wahlpropaganda finanzieren, will er nicht Gefahr laufen, sich nach § 119 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG strafbar zu machen.
Keine Behinderung von Wahlen stellt es dar, wenn Arbeitnehmer sich enthalten. Es besteht lediglich ein Wahlrecht, nicht aber eine Wahlpflicht, sodass eine Enthaltung nicht zur Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 Ziff. 1 führen kann.