3.1 Beratung mit dem Arbeitgeber
Rz. 12
Die Auswahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder erfolgt nach Beratung mit dem Arbeitgeber (Abs. 2 Satz 1). Die Beratung hat daher der Wahl vorauszugehen (BAG, Beschluss v. 29.4.1992, 7 ABR 74/91). Sie muss mit dem gesamten Betriebsrat erfolgen. Unterbleibt die Beratung, so ist die Auswahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder durch den Betriebsrat für den Arbeitgeber nicht bindend. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Betriebsrat die freizustellenden Betriebsratsmitglieder in der Vergangenheit stets ohne vorherige Beratung mit dem Arbeitgeber gewählt hat und dies vom Arbeitgeber nicht beanstandet wurde (ArbG Köln, Beschluss v. 21.2.2008, BB 2008, 945).
3.2 Auswahl durch Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder
Rz. 13
Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt (Abs. 2 Satz 1). Vom Erfordernis der geheimen Wahl kann auch nicht durch einstimmigen Betriebsratsbeschluss abgewichen werden. Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder hat in einem einzigen Wahlgang zu erfolgen; für Voll- und Teilfreistellungen ist ein einheitlicher Wahlgang durchzuführen (LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.1.2012, 20 TaBV 1/11). Eine gemeinsame Wahl ist ebenso zwingend erforderlich und daher die Wahl der Freistellungen getrennt nach Standorten unwirksam (ArbG Düsseldorf, Beschluss v. 23.9.2004, 11 BV 84/04). Nur wenn nur ein Wahlvorschlag gemacht wird, erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl. Schon wenn zwei Wahlvorschläge vorhanden sind, hat die Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl in einem Wahlgang zu erfolgen (LAG Hamm, Beschluss v. 10.6.2005, 13 TaBV 26/05). Die Verhältniswahl ist Listenwahl. Bei der freiwilligen Gewährung einer weiteren Freistellung durch den Arbeitgeber ist aus Gründen des Minderheitenschutzes dieser Wahlgang im gleichen Prozedere wie der ursprüngliche Wahlgang durchzuführen (Hessisches LAG, Urteil v. 28.5.2009, 9 TaBV 20/09). Entsprechend § 19 Abs. 1 BetrVG kann die betriebsratsinterne Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder beim Arbeitsgericht angefochten werden (LAG Köln, Beschluss v. 3.2.2011, 13 TaBV 73/10), wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte (LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.1.2012, 20 TaBV 1/11; BAG, 20.4.2005, 7 ABR 47/04).
Ein Beschluss des Betriebsrats zur Zulässigkeit von Teilfreistellungen vor der Wahl teilfreigestellter Betriebsratsmitglieder ist nicht erforderlich (BAG Beschluss v. 24.3.2021, 7 ABR 6/20).
3.3 Notwendigkeit einer Einverständniserklärung des freizustellenden Betriebsratsmitglieds
Rz. 14
Voraussetzung für eine Freistellung ist, dass das Betriebsratsmitglied, das in Aussicht genommen wird, sich bereiterklärt, sich von seiner beruflichen Tätigkeit freistellen zu lassen; eine Freistellung wider Willen ist ausgeschlossen (BAG, Beschluss v. 11.3.1992, 7 ABR 50/91; BAG, Beschluss v. 13.6.2007, 7 ABR 62/06).
3.4 Unterrichtung des Arbeitgebers
Rz. 15
Der Betriebsrat hat die Namen der Freizustellenden dem Arbeitgeber bekannt zu geben (Abs. 2 Satz 3). Der Betriebsrat ist nicht berechtigt, von sich aus die Freistellung vorzunehmen; denn er darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen (§ 77 Abs. 1 Satz 2).
3.5 Anrufung der Einigungsstelle durch den Arbeitgeber
Rz. 16
Hält der Arbeitgeber eine Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach seiner Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen (Abs. 2 Satz 4). Die Frist ist eine Ausschlussfrist; sie berechnet sich nach den §§ 187 ff. BGB. Der Gesetzestext lässt offen, unter welchen Voraussetzungen eine Freistellung sachlich nicht vertretbar ist. Aus dem gesetzessystematischen Zusammenhang ergibt sich aber, dass es nur um die personelle Auswahl geht (ebenso bereits BAG, Beschluss v. 9.10.1973, 1 ABR 29/73). Die Bedenken können sich dagegen richten, dass bei ihr die betrieblichen Notwendigkeiten nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Rz. 17
Soweit die Einigungsstelle im verbindlichen Einigungsverfahren angerufen wird, kann sie nur über die Auswahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder entscheiden. Auch im Rahmen der ihr zustehenden Vorfragenkompetenz darf sie keine Entscheidung darüber treffen, ob der Betriebsrat die Mindestzahl der Freistellungen nach der Freistellungsstaffel richtig bestimmt hat oder ob er die zusätzliche Freistellung weiterer Betriebsratsmitglieder verlangen kann; denn erhebt der Arbeitgeber insoweit keinen Widerspruch, so ist für die Einigungsstelle der Umfang der Freistellungen verbindlich. Macht er aber Bedenken geltend, so ist zunächst zu prüfen, ob Arbeitgeber und Betriebsrat sich insoweit einem freiwilligen Einigungsverfahren unterwerfen. Wenn dies nicht der Fall ist, kann die Einigungsstelle auch im Rahmen der Vorfragenkompetenz keine Entscheidung übe...