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Diese beiden Begriffe weisen erhebliche Unschärfen auf.

Kennzeichnend für eine Religion ist der transzendente Bezug des Glaubens. Darunter ist die Eingliederung des Einzelnen in einen jenseitigen, nicht mit von den Menschen gesetzten Maßstäben zu beurteilenden und durch wissenschaftliche Erkenntnisquellen nicht erschöpfend zu erklärenden Zusammenhang zu verstehen. Geschützt wird sowohl das Recht, religiöse Überzeugungen zu haben, als auch das Recht, diese Überzeugungen den Anforderungen der Religion entsprechend zu praktizieren, etwa durch Beteiligung an Gottesdiensten, sowie Regeln und Gepflogenheiten zu beachten, vgl. Art. 9 EMRK. Dazu kann auch das Tragen eines Kopftuches als Beachtung religiöser Kleidervorschriften gehören[1], und zwar sogar in einer öffentlichen Kindertagesstätte. Wird eine muslimische Frau aus dem Kreis von Bewerbern ausgeschlossen, weil sie ihr Kopftuch auch während der Arbeitszeit nicht ablegen will, wird sie wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit diskriminiert.[2] Der EuGH[3] hat demgegenüber die interne Regelung eines Unternehmens, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens und mithin auch das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbietet, nicht als unmittelbare Benachteiligung angesehen und eine mittelbare Diskriminierung verneint, wenn ein rechtmäßiges Ziel, wie die Neutralität des Arbeitgebers gegenüber seinen Kunden sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel angemessen und erforderlich sind. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem entschieden, dass ein Kopftuchverbot bei Tätigkeiten zulässig sein kann, bei denen seine Trägerin als Repräsentantin des Staates wahrgenommen werden kann.[4]

"Weltanschauungen" meint demgegenüber gedankliche Systeme, die eine wertende Stellungnahme zum Sinn des Weltgeschehens bieten, ohne dabei auf Gott, das Jenseits oder die Idee der Transzendenz zurückzugreifen

Im Rahmen des AGG sind die bereits vor dessen Inkrafttreten nach nationalem deutschen Recht entschiedenen Fragen nach der Religions- bzw. Weltanschauungseigenschaft von Gemeinschaften relevant, die sich in großem Umfang wirtschaftlich betätigen. Dies gilt insbesondere für die Scientology-Bewegung.

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