Rz. 42
§ 7 Abs. 1 AGG, der auch für die Ermittlung einer Benachteiligung i. S. d. § 75 Abs. 1 BetrVG heranzuziehen ist, verbietet sowohl die unmittelbare wie die mittelbare Benachteiligung. § 3 AGG enthält Legaldefinitionen der unterschiedlichen Formen der Benachteiligung:
3.5.3.3.1 Unmittelbare Benachteiligung
Rz. 43
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt als sie eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die Ungleichbehandlung muss wegen eines der in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmale erfolgen. Häufig wird sie in einem Unterlassen liegen:
Arbeitgeber A gewährt lediglich seinen deutschen Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld, nicht hingegen seinen ausländischen Arbeitnehmern. Hier setzt der Arbeitgeber die ausländischen Mitarbeiter wegen ihrer Nationalität und Herkunft zurück, indem er die Gewährung der Sonderleistung unterlässt.
Rz. 44
Zu beachten ist, dass ein Verstoß gegen § 1 AGG nicht nur dann vorliegt, wenn eine Beeinträchtigung tatsächlich eintritt, sondern bereits dann, wenn sie eintreten kann. Es reicht also aus, dass eine Benachteiligung droht. Wann dies der Fall ist, ist weder im AGG noch im BetrVG geregelt. Hier sind daher die Arbeitsgerichte gefragt. Nachfolgend seien einige Beispiele aus der Rechtsprechung genannt:
Rz. 45
Nimmt der Arbeitgeber Schwangerschaft oder Mutterschaft zum Anlass für eine weniger günstige Behandlung, legt das AGG in § 3 Abs. 1 fest, dass hierin eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt. Schwangerschaft und Mutterschaft sind schlicht an das weibliche Geschlecht gebunden, sodass es sich bei der Anknüpfung an diese Gründe nicht nur um eine mittelbare, sondern um eine unmittelbare Benachteiligung handelt. Entsprechend stellt z. B. die Frage nach der Schwangerschaft bei einem Einstellungsgespräch eine unmittelbare Benachteiligung dar und ist daher unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn sich auf die Stelle nur Frauen beworben haben oder wenn die Bewerberin Tätigkeiten verrichten soll, für die ein Beschäftigungsverbot für Schwangere besteht. Wird dagegen einer Arbeitnehmerin gekündigt, ohne dass bei Zugang der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft besteht, ist nach der Rechtsprechung des BAG weder die Kündigung selbst noch das Festhalten an ihr ein Hinweis auf eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Geht der Arbeitgeber bei der Beurteilung einer Bewerbung (Frau mit Kind im Grundschulalter) von einem tradierten Rollenmuster aus und unterstellt, dass die Frau hauptsächlich für die Kinderbetreuung zuständig und daher als Arbeitskraft weniger flexibel ist, stellt dies eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Gewährt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer mit dem Argument, er habe durch sein Verhandlungsgeschick ein besseres Ergebnis erzielt, ein höheres Gehalt als einer vergleichbaren Arbeitnehmerin, liegt darin ein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot und eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Rz. 45a
Eine unmittelbare, unzulässige Diskriminierung wegen Behinderung liegt vor, wenn die individualvertraglich vereinbarte Vergütung neu eingestellter Arbeitnehmer mit Behinderung im Vergleich zur Vergütung von Arbeitnehmern ohne Behinderung um 20 % niedriger ist, wie dies in der Vergangenheit z. B. nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes der Fall war. Ebenso kann eine Benachteiligung wegen Behinderung bereits dann gegeben sein, wenn der behinderte Bewerber gar nicht in die Auswahl einbezogen, sondern schon vorab ausgeschieden wird. Voraussetzung ist allerdings, dass er die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle hat. Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen Bewerber, dessen Schwerbehinderung ihm bekannt ist und dem die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich fehlt, nicht zum Vorstellungsgespräch ein, ist dies ein Indiz dafür, dass der Bewerber wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist. Der öffentliche Arbeitgeber kann diese Vermutung nur durch den Nachweis widerlegen, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung haben, noch die fachliche Eignung berühren. Ausreichend für die Annahme einer Benachteiligung wegen Behinderung ist, dass die benachteiligende Maßnahme (z. B. das Nichteinladen zu einem Vorstellungsgespräch) objektiv geeignet ist, dem behinderten Bewerber keine oder schlechtere Chancen einzuräumen. Auf ein Verschulden oder eine Benachteiligungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers bekannt war oder er sie hätte kennen müssen. Ist sie dem Arbeitgeber nachweislich nicht bekannt und auch nicht offensichtlich, muss der Bewerber den Arbeitgeber über seine Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsschreiben informieren. Eine Information im...